„Der Arbeitsmarkt der Zukunft ist inklusiv“

Interview mit Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales. Alexander Fischer (Die Linke) ist quasi die linke Hand von Elke Breitenbach. Mit ihm führte Dominik Peter ein Interview.

BBZ: Herr Staatssekretär Fischer, in Berlin wird der Ruf nach Inklusionstaxis seitens der Behindertenbewegung immer lauter. Gibt es Pläne für den vermehrten Einsatz solcher Taxis und wenn ja, wie sehen diese aus? 

Alexander Fischer: Der Haushaltsgesetzgeber hat für die Jahre 2018 und 2019 die nötigen Mittel für einen Einstieg bereitgestellt. Aktuell werden im Landesamt für Gesundheit und Soziales die konzeptionellen Vorarbeiten geleistet. Wir wollen, beginnend ab dem zweiten Halbjahr 2018 rund 250 Inklusionstaxis auf die Berliner Straßen bringen. Es soll Zuschüsse für den Umbau oder die Anschaffung von Fahrzeugen geben. Voraussetzung ist natürlich, dass die Taxi-Unternehmen Interesse an einer solchen Förderung zeigen. Wir werden natürlich in diesem Jahr das Gespräch mit der Taxiwirtschaft und den Verbänden, aber natürlich auch mit den Vertreter_innen der Menschen mit Behinderungen suchen.

BBZ: Wir bekommen aus erster Hand regelmäßig mit, wie schwierig es oft für Menschen mit Behinderung ist, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Betroffenen diesen Übergang zukünftig zu erleichtern? Ist das derzeit diskutierte Instrument „Budget für Arbeit“ ein Gewinn für Berlin? 

Alexander Fischer: Es gibt eine ganze Reihe von Instrumenten und Akteuren, die sich um die Integration von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt kümmern. Das Integrationsamt ist ein wichtiger Pfeiler, das mit den Mitteln aus der Ausgleichsabgabe eine Menge leistet. Die Integrationsfachdienste leisten ebenfalls eine wichtige Beratungs- und Unterstützungstätigkeit. Wir sind stolz auf das gut ausgebaute Berliner Netz und wollen es erhalten. Wichtige Stellschrauben hat der Bund in der Hand, der verbindlichere Vorgaben für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen machen könnte. Hier würde ich mir tatsächlich mehr Mut wünschen. Im Kern geht es ja nur um den Mut, das Notwendige zu tun. Wer einen Blick auf den Berliner Arbeitsmarkt und dessen perspektivische Entwicklung wirft, sieht schnell, dass wir es uns gar nicht leisten können, irgendeinen Menschen zurück zu lassen. Der Arbeitsmarkt der Zukunft ist inklusiv oder defizitär, so einfach ist das. In das neue Budget für Arbeit setzen wir als Instrument einige Hoffnung, weil es unbürokratisch nutzbar und auf Dauer angelegt ist. Wir haben die Umsetzung in Berlin in einem Rundschreiben geregelt und versucht, dort auch Grundregeln für gute Arbeit zu berücksichtigen. Das Budget für Arbeit kann nur gewährt werden, wenn der anspruchsberechtigte behinderte Mensch mit einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung abgeschlossen hat. Wichtig ist mir, dass wir das Budget für Arbeit in Berlin von vornherein als atmendes System denken.

BBZ: Derzeit steht die Novellierung des Landesgleichberechtigtengesetzes (LGBG) an. Nach derzeitigem Stand soll dies noch in 2018 novelliert werden und zum 01.01.2020 in Kraft treten. Ein Arbeitsentwurf wird derzeit bereits diskutiert. Was ist ihre Meinung zum LGBG? 

Alexander Fischer: Die Koalition hat sich dazu verpflichtet, das LGBG weiterzuentwickeln. Ziel ist es, das LGBG im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention zu einem wirkungsvollen Instrument zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu machen. Es liegt dazu bereits ein Arbeitsentwurf vor, in dem eine Vielzahl von Handlungsfeldern, die sich aus der UN-BRK ergeben, aufgenommen wurde. Als zentrale Neuerung und Ergänzung der Barrierefreiheit wurde beispielsweise das Konzept der angemessenen Vorkehrungen aufgenommen. Das heißt: Droht eine Benachteiligung auf Grund von Behinderung im Einzelfall, so sind konkrete auf die Situation bezogene Maßnahmen in einem angemessenen Rahmen zu ergreifen. Vor dem Hintergrund der strukturellen Vorgaben der UN-BRK sollen auch die Strukturen in den Senats- und Bezirksverwaltungen zur Umsetzung des Gesetzes geschaffen werden. Das heißt: In allen Senats- und Bezirksverwaltungen sollen Koordinierungs- und Kompetenzstellen die verwaltungsinterne Abstimmung von Querschnittsaufgaben sowohl in ihren jeweiligen Häusern als auch zwischen den beteiligten Verwaltungen übernehmen. Der Arbeitsentwurf wurde am 13. November 2017 einem breiten Fachpublikum präsentiert und mit diesem diskutiert. Der gemeinsam mit der Monitoring-Stelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte veranstaltete Fachtag war Auftakt für einen umfassenden Diskussions- und Abstimmungsprozess. In diesem Rahmen wird in den nächsten Monaten ein Referentenentwurf erarbeitet. Über die Einbringung des Gesetzentwurfes beim Abgeordnetenhaus wird letztendlich der Senat beschließen. Ziel ist, dass das Gesetz zum 01.01.2020 in Kraft tritt.

BBZ: Die fehlende Finanzierung von Assistenz im Krankenhaus ist für behinderte Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf ein enormes Problem. Wie können wir das Problem lösen? 

Alexander Fischer: Diese Frage liegt im Regelungsbereich unserer Nachbarverwaltung. Seit 2009 ist im Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus geregelt, dass Personen, die ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte Assistenten sicherstellen, diese Assistenz auch im Krankenhaus weitergewährt wird. Der Gesetzgeber regelte dies allerdings nur für das sogenannte Arbeitgebermodell. Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenz über Pflegedienste sicherstellten, konnten trotz ähnlicher Problematik die Regelungen des Assistenzpflegebedarfsgesetzes nicht in Anspruch nehmen. Das Land Berlin vereinbarte vor diesem Hintergrund in zweiseitigen Vereinbarungen nach dem SGB XII mit drei Diensten, die sich auf die Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz spezialisiert haben, spezifische Regelungen zur Finanzierung der Assistenz im Krankenhaus. Diese ermöglichten Assistenznehmer/innen mit einem bewilligten Leistungsumfang von täglich 16 – 24 Stunden bis zu 16 Stunden pro Tag der tatsächlich erbrachten Assistenzleistungen im Krankenhaus gegenüber dem Sozialhilfeträger abzurechnen. Die durch die Pflegestärkungsgesetze II und III zum 1.1.2017 eingetretenen Rechtsänderungen führen dazu, dass diese Leistungen nunmehr voll dem SGB XI unterfallen und zweiseitige Vereinbarungen nach dem SGB XII nicht mehr möglich sind. Die Vorgaben des SGB XI erlauben allerdings nicht, die Finanzierung des Einsatzes von Assistenzpflegediensten in Krankenhäusern vertraglich zu regeln. Zum 31.12.2017 enden die zweiseitigen Vereinbarungen mit den drei spezialisierten Pflegediensten, die sich bisher noch in der Weitergeltung befanden und werden durch im Kern gleichartige dreiseitige Vereinbarungen zwischen den Pflegkassen, den Diensten und dem Land Berlin abgelöst. Damit endet jedoch diese besondere Regelung zur Finanzierung der Assistenz im Krankenhaus. Den Diensten werden mit einer um 2 Prozent erhöhten Vergütung die Risiken der Krankenhausaufenthalte  als Ausfallwagnis  zwar auch ab 1.1.2018  finanziert, sie verfügen somit über die Mittel, diese Leistung weiterhin zu erbringen, sie sind jedoch vertraglich nicht verpflichtet, und können auch nicht verpflichtet werden, für dieses zusätzliche Geld dann tatsächlich Assistenz im Krankenhaus zu erbringen. Das Land Berlin ist sich der Problematik bewusst und wird gemeinsam mit Leistungserbringern, Kostenträgern und Betroffenen weiterhin nach Lösungen suchen.

BBZ: Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit wichtig?

Alexander Fischer: Der Ressortzuschnitt unseres Hauses bietet die große Chance, wichtige Themen zusammen zu denken und nicht zu trennen. Gute Arbeit, Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und gelungene Integration gehören in der Stadt für alle, an der wir zusammen bauen wollen, einfach zusammen.

BBZ: Herr Fischer, besten Dank für das Interview.

 

Zur Person: Alexander Fischer wurde 1974 geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Zuletzt war er Regierungssprecher des Freistaats Thüringen und Pressesprecher des Parteivorstandes der Linken.

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