Schule am Pappelhof: Was eine Schule besonders machen kann

Jeder kennt den üblichen Schulalltag: vorgegebene Unterrichtszeiten, stringentes Abarbeiten eines vorgegebenen Lehrplans und  Leistungsbeurteilungen nach „Schema F“. Individuelle Fähigkeiten und Talente bleiben meist außen vor. Wer nicht mitkommt, bleibt eben auf der Strecke. Das ein Schulalltag aber auch ganz anders aussehen kann, beweist die Schule am Pappelhof in Biesdorf. In diesem Förderzentrum wird jeder Schüler – seinen Fähigkeiten und Leistungen entsprechend – individuell begleitet und gefördert. Die BBZ hat sich dieses Konzept mal genauer angeschaut.

Als meine Kollegin Dagmar Reschke-Radel und ich der Einladung zu einem Gespräch in die Schule am Pappelhof folgten, konnten wir noch nicht ahnen, welche Fördermöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler hier bereitgestellt werden. Die Ganztagsschule – mit dem sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ – liegt in einem ruhigen Siedlungsgebiet und wirkt nicht zuletzt deswegen auch relativ unscheinbar. Ein Schulgebäude eben, in dem ein ganz normaler Schulalltag seinen Lauf nimmt. Wie falsch ich mit dieser Annahme lag, stellte sich nur kurze Zeit später heraus.

Individuelles Fördern

Für jede Schülerin und jeden Schüler wird hier halbjährlich ein individueller Förderplan erstellt, der die Ziele des Rahmenlehrplans berücksichtigt und den individuellen Lebensbedürfnissen des Einzelnen angepasst ist. „Wir streben ein optimales Verhältnis zwischen An- und Entspannung unserer Schülerinnen und Schüler an. Daher haben wir beispielsweise keine Unterrichtsstunde, die strikt nach einem 45-Minutentakt verläuft. Vielmehr richten wir den Unterricht nach den Bedürfnissen unserer Schülerinnen und Schüler aus“, so die Konrektorin Anja Germer.

Damit ein umfassend individueller Förderunterricht bei insgesamt 136 Schülerinnen und Schülern geleistet werden kann, gibt es in jeder Klasse neben dem Klassenlehrer eine Pädagogische Unterrichtshilfe und bei Bedarf noch einen Erzieher oder einen Betreuer. Dieses Schulpersonal kümmert sich im Unterricht um acht bis neun Schüler je Klasse. Hinzu kommen noch insgesamt sieben Therapeuten, die die Arbeit mit den behinderten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren in speziell dafür eingerichteten Therapieräumen unterstützen und deren Therapie in den Stundenplan der Schüler integriert ist. Außerhalb der Unterrichtszeit können die Schüler im offenen Ganztagsbetrieb der Schule betreut und gefördert werden.

Weiterhin verfügt die Schule am Pappelhof über einen Schulgarten, Biotop, Kleinsportanlage und einem Spielplatz. Neben dem großen Schulhof existieren noch zwei Innenhöfe und fünf Terrassen, die durch die Klassen genutzt werden können. Außerdem gehören ein Therapiebecken, eine Turnhalle, zwei Fachräume und eine Lehrwohnung mit zur Ausstattung. „In der Lehrwohung können sich die Schüler praktisch auf das wahre Leben vorbereiten, indem sie beispielsweise für sich kochen, einkaufen oder Wäsche waschen“, erzählt Germer. 

Jährliches Eltern-Praktikum

Mehr noch: Jedes Jahr im März wird das Projekt „Eltern-Praktikum“ durchgeführt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass oft nur die romantische Seite vom Mutter- und Vatersein von unseren Schülern wahrgenommen wird. Daher haben die Kollegen dieses Projekt ins Leben gerufen und sind sehr stolz darauf“, sagt Frau Germer. In diesem Projekt lernen acht interessierte Schüler praxisbezogen und anschaulich das Leben mit einem Baby kennen. Sie kümmern sich vier Tage und drei Nächte durchgängig um eine computergesteuerte Babypuppe und übernehmen dabei alle pflegerischen Maßnahmen. Zusätzlich erhalten sie wichtige Informationen zu Schwangerschaft und Verhütung.

Ein übergreifender Unterricht

Der Unterricht wird in den so genannten Eingangs-, Unter-, Mittel-, Ober-, und Abschlussstufen abgehalten und ist je nach Stufe anders ausgestaltet. Während sich die Eingangsstufen bis Oberstufen vorrangig auf die Vermittlung von Deutsch, Mathe und Sachkunde konzentrieren, widmet sich die Abschlussstufe der Berufsvorbereitung. Hier arbeiten die Schüler halbjährlich in einem von sieben Berufsfelder, wie beispielsweise der Holz- oder Medienwerkstatt und bereiten sich damit an drei Tagen in der Woche auf spezielle Tätigkeiten des Berufslebens vor. 

Ein zweiwöchiges Praktikum in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung rundet den Schulalltag ab. Damit die Kinder und Jugendlichen aber auch klassen- und stufenübergreifend voneinander lernen können, finden Interessengemeinschaften (IG) wie beispielsweise die IG Sport statt. Außerdem werden beispielsweise Projekttage wie das „Pappelfest“ oder Sportfeste zusammen ausgerichtet.

„Eine erfolgreiche Arbeit setzt natürlich voraus, dass wir gut vernetzt sind – und das sind wir gleich in mehrfacher Hinsicht.  Zum einen arbeiten wir eng mit den Eltern der Kinder und Jugendlichen zusammen, die die Möglichkeit haben, im Unterricht zu hospitieren und sich jederzeit über den Leistungsstand ihres Kindes zu informieren.“ Eine Zusammenarbeit erstreckt sich aber auch auf andere Einrichtungen wie Kitas in Biesdorf, drei Grundschulen,  dem Jugendamt Marzahn-Hellersdorf, dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst) und dem Schulpsychologisch-Inklusionspädagogisches Beratungs- und Unterstützungszentrum. 

Apropos vernetzt: Jede Klasse ist außerdem untereinander vernetzt und mit dem Internet verbunden. „Insgesamt ist die Schule 12-mal mit dem eTwinning-Qualitätssiegel ausgezeichnet worden“, sagt Germer stolz. E-Twinning ist ein von der Europäischen Union unterstütztes Internetprojekt. Es vernetzt Schulen und Lehrkräfte aus 32 europäischen Ländern. Die Auszeichnung ist für Schulen, die im Rahmen ihrer eTwinning–Partnerschaft hervorragende Projekte durchführen. Zudem gewann die Schule drei Mal den deutschen eTwinning Preis und ist Berlins einzige eTwinning- Schule. 

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