Interview mit Dennis Kuck
Anlässlich der „Werkstätten Messe“ in Nürnberg vom 1. bis 4. April führten wir mit Dennis Kuck, dem Bereichsleiter Arbeit und Produktion Mosaik-Berlin gGmbH, ein Interview.
BBZ: Hat sich ihrer Meinung nach die Sichtweise auf Werkstätte in der Gesellschaft seit dem Beginn der Werkstattmesse im Jahr 1991 geändert? Wenn ja, wie? Welchen Beitrag hat die Messe dazu geleistet?
Dennis Kuck: Wir, als Mosaik, nehmen tatsächlich seit Anbeginn an der Werkstätten-Messe teil, damals noch in Offenbach und seit 2006 in Nürnberg. Von Anfang an war die Messe ein Angebot an die Gesellschaft, mehr Einblick in die Werkstätten, deren Arbeitsweisen und Strukturen zu bekommen. Sie sollte so zu mehr Transparenz und mehr gesellschaftlicher Akzeptanz verhelfen. Dabei hat die Messe schon immer den Spagat zwischen einer Fachmesse und einer Publikumsmesse gewagt. Uns Werkstattakteuren bietet sie jedes Jahr die Möglichkeit eines deutschlandweiten Branchenaustauschs. Die flankierenden Fachvorträge und Diskussionsforen zeigen, wo die Werkstätten stehen und welche aktuellen Themen sie umtreiben. Besonders positiv ist, dass auch viele Werkstattbeschäftigte und Werkstatträte teilnehmen und die Angebote aktiv nutzen bzw. mitgestalten. Man kann in den wenigen Tagen viel mit- und voneinander lernen.
Außerhalb der Vortragssäle, in den Messehallen ist es im Wesentlichen eine Leistungsschau. Auch wir sind mit unseren eigenen Produkten dort vertreten. Dabei zeigt sich eine beeindruckende Qualität; insbesondere dank kreativem und nachhaltigem Produktdesign. Vom angestaubten Bastelstuben-Image, das den Werkstätten zuweilen immer noch anhaftet, ist hier kaum mehr etwas zu spüren. Und in der Tat, unsere Werkstätten sind heute längst andere, denn von den Möglichkeiten und Veränderungen durch die Digitalisierung sind wir nicht ausgenommen. Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eröffnet die Digitalisierung komplett neue Tätigkeitsfelder. Zum einen durch das veränderte Auftragsspektrum, zum anderen durch technologische Assistenzmöglichkeiten. Hier entstehen neue Chancen für unsere Beschäftigten. Auch über diese Entwicklungen wird auf der Werkstätten-Messe ausgiebig diskutiert. Nicht ohne Grund lautet zum Beispiel das Thema des diesjährigen Innovations-Forums „Die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Technologien in den Werkstätten.“ So gesehen ist die Werkstätten-Messe sicher eine der Triebfedern für die Weiterentwicklung der Werkstätten. Dass sie das Mittel der Wahl ist, um die gesellschaftliche Sichtweise auf Werkstätten zu ändern, glaube ich hingegen nicht.
BBZ: Sie als WfbM halten ja einen Vortrag zur politischen Bildung von Menschen mit Behinderung. Wie kann in Ihren Augen politische Teilhabe und Bildung umfänglich gelingen?
Dennis Kuck: Genau, unser Kollege Andreas Kramp wird über unsere sehr guten Erfahrungen in der politischen Bildung berichten. Wir haben gelernt, dass solche oder ähnliche Projekte nur gelingen können, indem politische Zusammenhänge in die Lebenswirklichkeit der Menschen eingebettet werden. Dies betrifft besonders die Sprache. So war es eine Hauptaufgabe, Projektmaterialien in leichter Sprache zusammenzustellen. Die Sprache musste aus der Erfahrungswelt der Teilnehmenden stammen. Nicht umsonst trug beispielsweise ein Projekt den Titel „Germany’s next Bundeskanzler“.
Wichtig sind Vergleiche oder Bezugsgrößen aus dem Alltag. Vor allem auch im Umgang mit Zahlen. Um neue Erfahrungswelten zu schaffen, haben wir auch gute Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht. Ein Höhepunkt war sicher, dass es damals gelungen war, Vertreter aller großen Parteien zum Austausch zu uns zu bitten. So bekam alles einen sehr realen Bezug. In Zeiten der digitalen Allverfügbarkeit von Informationen sollte zudem der kritische Blick der Teilnehmenden geschult werden. Medienkompetenz ist ein weiterer Aspekt gelingender politischer Teilhabe. Auch hier braucht es vor allem Aufklärung und Dialog.
BBZ: Was haben Sie für Erfahrungen mit dem Budget für Arbeit gemacht? Es wird derzeit ja nur wenig in Anspruch genommen. Was meinen Sie, woran liegt das? Wie kann man das ändern?
Dennis Kuck: In Berlin galt bis Ende Dezember 2019 folgende Regelung: Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gewährte das Budget für Arbeit befristet für zwei Jahre. Die Unternehmen hingegen mussten für die Zuwendung einen bereits unterzeichneten, unbefristeten Arbeitsvertrag vorlegen. Mal ehrlich, wer macht das schon? Sicher ist das der Hauptgrund für die schlechten Zahlen in Berlin.
Die Regelung für 2020 ist immer noch offen. Erfreulich wäre es aus unserer Sicht, wenn zum Budget für Arbeit auch das angekündigte Budget für Ausbildung von der Senatsverwaltung kommen würde. Denn im Grunde sind unsere Erfahrungen mit dem Budget für Arbeit gut. Wir waren tatsächlich die Ersten in Berlin, die einen Mitarbeiter in das Budget für Arbeit vermitteln konnten. Das war vor zwei Jahren. Inzwischen ist eine zweite Vermittlung dazugekommen und weitere stehen dieses Jahr in Aussicht. Unsere Job-Coaches leisten hier sehr gute Arbeit. Diese fußt vor allem auf engen persönlichen Kontakten. Einerseits kennen wir unsere Beschäftigten, ihre Stärken und Schwächen sehr gut. Andererseits haben sie viele Möglichkeiten sich auszuprobieren, sich zum Beispiel auf Außenarbeitsplätzen und in Praktika zu versuchen und zu beweisen. Diese Zwischenstationen haben sich bewährt. Sie vermeiden Frust und Demotivation und erhöhen unserer Erfahrung nach die Erfolgschancen.
BBZ: Herr Kuck, herzlichen Dank für das Interview.