Der Verein Bipolaris und seine Arbeit
Im Rahmen der BBZ-Serie sprach Martin Schultz mit Uwe Wegener. Herr Wegener gehört dem Vorstand von Bipolaris an.
BBZ: Uwe, bipolaris ist eine Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Manien und Depressionen sowie ihrer Angehörigen in Berlin und Brandenburg. Viele von uns haben ja eine Vorstellung von Depressionen, weniger von Manien. Wie läuft das bei dir ab?
Uwe Wegener: Mit einer Depression verbinden viele Menschen ein Gefühl der Traurigkeit. Bei mir herrscht eher das „Gefühl der Gefühlslosigkeit“; ich fühle kaum etwas. So geht es auch vielen anderen Depressions-Erfahrenen. Ich bin wie gelähmt, kann gar nichts mehr. Da ist es schon ein Erfolg, wenn ich es schaffe, mich mal zu rasieren. Wenn ich wieder weinen und fluchen kann, geht es mir schon besser. Bei leichteren Depressionen funktioniere ich zwar oft noch nach außen, aber alles scheint unendlich schwer zu sein und ich möchte eigentlich nur meine Ruhe haben. In der Manie dagegen glaube ich, alles schneller und besser als die anderen zu können. Manchmal ist da auch was dran, vor allem in der leichteren Form, der sogenannten Hypomanie. Aber irgendwann werden meine Gedanken völlig unrealistisch. Ich meine, ich könne alles und die ganze Welt verstehen und erklären. Dann wundere mich, dass die anderen dies nicht nachvollziehen können, finde sie doof. Selbstverständlich ist das völlig unrealistisch.
BBZ: bipolaris hat in Berlin und Brandenburg über 15 Selbsthilfegruppen. Was geschieht dort?
Uwe Wegener: Es ist ein großartiges Gefühl, wenn man auf Leute trifft, die Ähnliches erlebt haben und ohne viel Erklärungen verstehen, was los ist. Psychische Krisen können Probleme in allen Lebensbereichen verursachen. Wir tauschen uns über hilfreiche Strategien im damit aus. Da geht es dann auch um Fragen, wie man auf Arbeit mit der Bipolarität umgeht. Oder ob eine Erwerbsminderungsrente angestrebt werden soll. Die Partnerschaft wird beeinflusst, viele finden erst gar niemanden. Die Selbsthilfegruppe ist für einige der wichtigste Platz, an dem sie mit anderen zusammenkommen und auch Freunde finden. Auch Angehörige brauchen einen Platz zum Austausch und organisieren sich. Oftmals werden sie vom Betroffenen in der Manie sehr verletzt. Bei Depressionen wiederum steht der Wunsch zu helfen im Vordergrund. Für viele Angehörige dreht sich das Leben um den Betroffenen und sie müssen lernen, auch ihre eigenen Wünsche wieder wahrzunehmen.
BBZ: Was macht bipolaris als Selbsthilfeorganisation?
Uwe Wegener: Die Unterstützung von Selbsthilfe und Selbsthilfegruppen ist ein wichtiges Ziel. So starten wir neue Selbsthilfegruppen und unterstützen bestehende Gruppen. Zentral sind auch Information und Aufklärung über die bipolare Störung und ihre Folgen sowie Möglichkeiten des Umgangs damit. Bei unseren Informationstagen und Informationsreihen informieren und diskutieren wir mit Betroffenen, Angehörigen und professionellen Unterstützern. Unsere bipolar-Beratung durch Betroffene wird sehr gut angenommen. Übrigens sind knapp die Hälfte der Ratsuchenden Angehörige, die froh sind, auch mal mit einem anderen Betroffenen über ihre Situation sprechen zu können.
BBZ: Ihr habt eine große Außenwirkung. Woran liegt das?
Uwe Wegener: bipolaris ist inzwischen einer der mitgliederstärksten Selbsthilfeorganisationen im Bereich seelische Gesundheit in Berlin und Brandenburg. Dabei ist uns die Zusammenarbeit mit anderenSelbsthilfeorganisationen sind sehr wichtig. Auch pflegen wir den Trialog zwischen Angehörigen, Betroffenen und professionellen Unterstützern wie z. B. Ärzten, Therapeuten und Sozialarbeitern. In Dutzenden von Beiräten und anderen Gremien sind wir eine wichtige Stimme der Betroffenen und Angehörigen und vertreten dort ihre Interessen. Wir sind auf vielen Kongressen aktiv.
Ein großes Anliegen ist es uns Menschen zu erreichen, die sich sonst wenig mit dem Thema psychische Krisen und Krankheiten beschäftigen. So haben wir schon Konzerte und Ausstellungen veranstaltet. Regelmäßig zeigen wir Spielfilme zum Thema im Kino, mit anschließender Podiumsdiskussion. Zu den größten und schönsten Veranstaltungen von bipolaris zählt sicherlich DER LAUF & DER MARKT für seelische Gesundheit. Seit 2016 veranstalten wir diesen jährlich und erreichen dabei mehrere Tausend Besucher. Gleichzeitig ist die Veranstaltung Anlass für viele Beiträge in den Medien.
Damit wirken wir gegen die Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Krisen an. 2019 haben wir den MARKT & LAUF in Kooperation mit dem BBV und dem Aktionsbündnis Seelische Gesundheit veranstaltet.
BBZ: bipolaris gibt es jetzt 10 Jahre als Verein. Plant ihr da etwas Besonderes?
Uwe Wegener: Wir sind schon stolz darauf, was wir in diesen 10 Jahren alles auf die Beine gestellt haben. Corona-bedingt werden wir dieses Jahr leider deutlich weniger Veranstaltungen durchführen können. Aber einen kleinen Festakt und unseren Infotag im Oktober wird esgeben. 2021 geht es hoffentlich wieder mit voller Kraft los!
BBZ: Danke für das Gespräch.