„Fuck[dis]Ability“: Benjamin Schmidt im Interview
Er ist Autor und Musiker in der Dark Punk/Death Rock-Band Gruftschlampen und arbeitet immer an mindestens drei Projekten. Sein neustes Buch „Schon immer ein Krüppel“ ist gerade erschienen. Benjamin Schmidt ist Jahrgang 1989 und wurde in Thüringen geboren. Mit Benjamin Schmidt sprach Dominik Peter.
BBZ: Der Buchtitel „Schon immer ein Krüppel“ ist ja heftig. Wie kamen Sie auf diesen Titel? Was steckt dahinter oder soll es nur verkaufsfördernd sein?
Benjamin Schmidt: Es soll allenfalls eine Herausforderung sein, verkaufsfördernd ist das nur bedingt. Der Begriff „Krüppel“ soll auf diese Weise relativiert werden. Ich empfinde Menschen mit Behinderung gegenüber anderen nicht als weniger Mensch, soll heißen, wir alle haben unsere Makel und Unzulänglichkeiten, unsere Schrammen und Abschürfungen. Wir leben damit, versuchen ihrer Herr zu werden. Das Leben hinterlässt seine Spuren auf jedem von uns. Das Schöne ist, wir haben die Möglichkeit, es uns gegenseitig etwas zu erleichtern, das sollten wir nutzen.
BBZ: Um was geht es in Ihrem Buch? Was werden Leser erfahren?
Benjamin Schmidt: Es handelt von einen Jungen im Jugendalter, der durch den Umgang mit seiner Behinderung den Umgang mit sich selbst und seinem Umfeld neu erlernt. Philosophie, Freundschaft, Musik und Liebe spielen dabei eine sehr große Rolle. Im Grunde geht es darum, sich wahrhaftig dem eigenen Sein zu stellen und das Leben endlich wieder in Hand zu nehmen, es zu genießen. Aber es ist ein Jugendroman, er soll auch einfach nur Spaß
machen und unterhalten. Etwas Trost spenden und Mut machen. Wenn man etwas schwarzen Humor, Selbstironie und eine ordentliche Portion Sex, Drugs & Goth‘n‘Roll ertragen kann, denke ich, wird er das auch.
BBZ: Anfang des Jahres ist der Kurzgeschichtenband „Fuck[dis]Ability“ erschienen. Worum geht es in diesem Buch?
Benjamin Schmidt: Ich habe dieses Buch zusammen mit Franziska Appel geschrieben, die auch für die enthaltenen Illustrationen verantwortlich ist. Wir haben da eine Sammlung lustbetonter Erzählungen veröffentlicht, die auf ganz unterschiedliche Weise Menschen mit Behinderungen in erotischen Situationen beschreiben, und vermeintliche Makel zu einem sinnlichen Lustgewinn erheben, mal sehr betont, mal indirekt. Sexualität ist so vielfältig und wandelbar, wie die Menschen selbst, und natürlich gehören behinderte Menschen ebenso dazu. Diversität verdient mehr Platz, auch in erotischer Literatur. Wir haben dazu sehr viel positives Feedback bekommen und konnten eine Menge lernen. Das freut uns natürlich.
BBZ: Können Sie von ihren Büchern leben? Was machen Sie neben dem Schreiben?
Benjamin Schmidt: Ich bin freier Autor und Musiker und arbeite immer an mindestens drei Projekten, während ich über fünf weitere nachdenke. Kreativität bestimmt mein Leben. Allerdings ist es beinahe närrisch, davon leben zu wollen, weil die Umstände eben so närrisch sind. Ich arbeite auch als Grafiker, freiberuflich als auch bei einem Berliner Konzertveranstalter. Ohne diesen Job könnte ich meinen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften.
BBZ: Wir erleben ja eine wahnsinnige Zeit. Wie erleben Sie Corona, was nervt Sie, was finden Sie gut?
Benjamin Schmidt: Ich denke, ich bin zu sehr von den Nachteilen betroffen, als dass ich etwas daran gut finden könnte. Ich kann weder als Autor noch als Musiker auftreten und somit meine Veröffentlichungen nicht live vorstellen. Und ich bin ein Bühnenmensch, mein Publikum ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit als Künstler. Ansonsten bin ich in Kurzarbeit und niemand weiß, wie sich alles entwickeln wird und ob man hernach völlig perspektivlos in die Zukunft blickt. Meine Kreativität selbst beeinflusst das alles nicht, aber deren Entlohnung durchaus. Und hier muss man leider einfach sagen, dass vor allem Kunst- und Kulturschaffende wieder mal grobe Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen müssen. Ansonsten fände ich es wunderbar, würden einige Menschen, vom Verschwörungstheoretiker bis zum Sittenwächter, sich ihre imaginäre Gerichtsbarkeit für sich selbst aufsparen, bevor sie verbal auf andere losgehen. Na zumindest eine gute Zeit, um mal ein Buch zu lesen, immerhin.
BBZ: Herr Schmidt, besten Dank für die offenen Worte und das Interview.
Wer ist dieser Schmidt?
Wer mehr über Benjamin Schmidt erfahren will, der kann dies auf seiner Internetseite www.weristdieserschmidt.de. Dort kann neben seinem neusten Werk (Fuck[dis]Ability, 14,90 € inkl. MwSt., 184 Seiten) auch ein weiteres Buch mit dem Titel „Fick die Musen“ gekauft werden (12,00 € inkl. MwSt., Verlag: „Edition Outbird“, 94 Seiten, Softcover).