Müggelsee: Kein Schiff wird kommen
Eigentlich eine feine Sache seit 1926: Möchte man vom Ortsteil Friedrichshagen aus etwa zum DRK-Klinikum Köpenick, so führt der kürzeste Weg durch den Spreetunnel unter dem Müggelsee hindurch. Doch das seinerzeit technisch revolutionär in „Senkkastenbauweise“ erstellte Bauwerk ist nicht barrierefrei – es kann nur über Treppen betreten bzw. verlassen werden. Betroffene müssen also erhebliche Umwege in Kauf nehmen.
Am 15. September 2018 kam es daher unter Beteiligung des Berliner Behindertenverbandes e. V. (BBV) zu einer Aktion in Friedrichshagen, an der auch die zuständige Verkehrssenatorin Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen) teilnahm. Menschen mit Behinderungen forderten entweder einen barrierefreien Umbau des denkmalgeschützten Tunnels oder dessen Ergänzung durch andere Systeme. Man schlug konkret eine Brücke, eine Seilbahn oder eine Fähre parallel zum Spreetunnel vor. Die Senatorin zeigte Verständnis für das Anliegen und sagte während der Kundgebung eine „kurzfristige Lösung“ zu. Dann passierte – wie so oft, wenn es in Berlin um Verkehrsfragen allgemein oder konkret um Barrierefreiheit geht – zwei Jahre lang nichts, jedenfalls nichts Wahrnehmbares.
Also wurde am 22. September 2020 von Betroffenenseite eine Petition beim Abgeordnetenhaus eingereicht, die dort das Geschäftszeichen „6018/18“ erhielt und nach mehreren Zwischenberichten mit Schreiben vom 20. Mai 2021 (für diese Wahlperiode) abschließend beantwortet wurde. Aus dem der Redaktion vorliegendem Vorgang ergibt sich, dass Umbau des Tunnels, Brücke oder Seilbahn für den Senat insbesondere aus Kosten- und Zeitgründen nicht in Betracht kämen, man sich aber für die Einrichtung einer Fährlinie zwischen beiden Ufern der Spree entschieden habe. Eingerichtet und gefahren werden solle die Linie von der städtischen BVG. Ging man allerdings in den ersten Berichten an das Abgeordnetenhaus noch davon aus, bis Mitte 2021 alle Voraussetzungen zur Einrichtung des Trajekts schaffen zu können, ist im jüngsten Schreiben plötzlich von „fehlendem Wegerecht zur Erschließung des geplanten Anlegers“ die Rede und davon, dass nicht absehbar sei, ob, wann und zu welchen Bedingungen der private Eigentümer dieses einräume. Man sei aber hierüber mit den Beteiligten im Gespräch, lässt Senatorin Günther noch mitteilen.
Weil also der Senatsverkehrsverwaltung erst jetzt auffällt, dass sich der von ihr und BVG vorgesehene Standort des Fähranlegers auf Friedrichshagener Seite in Privatbesitz befindet und sie den Eigentümer bisher ihrem eigenen Ausführungen nach offensichtlich noch nicht einmal direkt auf das „Wegerecht“ (die Erlaubnis, über sein Grundstück einen öffentlichen Weg zwischen Straße und Anleger einzurichten) hin angesprochen hat, verzögert sich der Start der Fähre nun auf unbestimmte Zeit. Kein Schiff wird kommen – weil es Frau Günthers Behörde offensichtlich seit 2018 nicht für notwendig hielt, beim Grundbuchamt abzuklären, wem das benötigte Grundstück eigentlich gehört. Weil Frau Günther generell gerne vollmundig Projekte im Verkehrsbereich ankündigt, ohne sich hinterher um deren konkrete Umsetzung zu kümmern.
Ein Schiff wird kommen – hoffentlich irgendwann. Nach der Wahl unter einer neuen, engagierteren Verkehrssenatorin?