Auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben
Eigenständiges Wohnen, Schule, Ausbildung und vieles mehr ist für viele ein einfaches Spiel. Für mich, der mit einer körperlichen Behinderung lebt, ist jedes dieser Themen eine hart erkämpfte Sache.
Ich, Linus Bade, lebe mittlerweile in meiner eigenen Wohnung am Rande Berlins. Hier lebe ich seit dem Auszug von meinen Eltern ein eigenständiges Leben, welches ich durch meine persönliche Assistenten und AssistentInnen problemlos nachgehen kann. Mein Alltag fülle ich mit zahlreichen Projekten, kleinen Aufträgen, Sport und derzeit noch mit einer Ausbildung zum Mediengestalter. Das klingt eigentlich ziemlich gelungen, oder? Doch leider war das gar nicht so einfach. Nach elf Jahren Förderschule wollte ich endlich auf dem ersten Arbeitsmarkt. Doch das ist nicht so leicht, wie ich gedacht habe. Als ich mich anfangs gewehrt habe, eine Ausbildung bei einem Bildungsträger zu machen, war die Konsequenz, dass ich ein Jahr arbeitslos war, zumindest hatte ich keinen Ausbildungsplatz. Dass sich im Nachhinein das Jahr als sehr bereichernd entwickelt hat, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht.
Neben einer Weiterbildung zum Inklusionsberater, habe ich mit RaceRunning angefangen, ein Sport, den ich bis heute betreibe und auch schon Erfolge hatte. In der restlichen Zeit des Jahres habe ich viele Projekte geplant und realisiert, wie zum Beispiel das Handicap Lexikon (www.handicap-lexikon.de). Aber irgendwie musste es auch beruflich weitergehen. Nach zahlreichen Bewerbungen für eine Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die leider alle erfolglos waren, habe ich mich doch dazu bringen lassen eine Ausbildung über einen Bildungsträger zu machen. So konnte ich nach langem hin und her mit der Arbeitsagentur schlussendlich wenigstens in meinen Wunschberuf zum Mediengestalter ausgebildet werden. Bis ich das erste Mal am Arbeitsplatz saß, verging noch einige Zeit und der Stapel für notwendige Anträge füllte sich schnell. Assistenz, Fahrdienst und nötige Hilfsmittel mussten beantragt und organisiert werden. Für einen jungen und unerfahrenen Menschen war das alles andere als einfach. Als das alles erledigt war, konnte ich mich endlich voll und ganz auf die Ausbildung konzentrieren. Und die lief richtig gut. Neben dem Bildungsträger, der als Ersatz für einem Ausbildungsbetrieb dient, war ich alle 2-3 Wochen in einer regulären Berufsschule. Anders als erwartet, war diese ziemlich aufgeschlossen und hat sich mit Erfolg mit meiner Situation auseinandergesetzt. Ich fühlte mich deutlich integrierter als an meiner damaligen Schule.
Wie schon erwähnt, brauche ich eine persönliche Assistenz, um an der Ausbildung teilnehmen zu können. Ich habe mich für das persönliche Budget entschieden, eine Leistungsform, bei der ich selbst Arbeitgeber bin. Das gibt mir sehr viele Freiheiten, wie ich die Assistenz für mich passend organisiere. Ich kann selbst entscheiden, wen ich anstelle oder wie ich die Assistenten und Assistentinnen einteile. Allerdings bringt das neben einer Menge Vorteile auch viel Arbeit mit sich. Ich hatte plötzlich sechs Angestellte und damit auch alle Rechte und Pflichten. Assistenten und Assistentinnen finden, kennenlernen, einstellen, Dienstpläne schreiben, Abrechnungen machen und eventuell auch wieder entlassen. Aber ich habe mich gut reingefunden und mache es sehr gerne. Es ist auch anstrengend, bedeutet viel Verantwortung und ist manchmal auch mit Angst verbunden. Aktuell ist mein Team so unterbesetzt, das ich nicht weiß, wie ich in naher Zukunft meine nötige Unterstützung sicherstellen kann. Ein weiterer zeitintensiver Punkt ist die Abrechnung mit dem Amt. Hier muss ich einmal jährlich alle Ausgaben mit Rechnung dem Amt vorlegen, damit festgestellt werden kann, ob ich das Geld zweckgebunden ausgegeben habe. Alles zusätzliche Belastungen, die neben meinen eh schon vollen Zeitplan anfallen.
Aber noch mal zurück zur Ausbildung,. Nachdem ich gute zwei Jahre dabei war, kam das nächste Problem. Mein Handgelenk wollte nicht mehr. Durch meine ständige Haltung am Computer schmerzte es immer mehr. Ich konnte die Ausbildung so nicht mehr weiter machen und musste sie kurz vor der Abschlussprüfung unterbrechen. Eine Operation war zwingend notwendig. Da aufgrund von Corona viele OPs verschoben wurden, war die Wartezeit lang. Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich weiter machen konnte. Als es dann endlich so weit war, mussten erneut alle Anträge gestellt werden. Das Spiel ging von vorne los. Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht.