„Die Digitalisierung behindert uns“
Ein Interview mit Gabi Köpsel zum 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung.
Gabi Köpsel lebt in der „Besonderen Wohnform Wilmersdorf“ vom Unionhilfswerk. Dort wohnen 28 „Erwachsene mit geistiger und Mehrfachbehinderung“ – so steht es auf der Internetseite des Hauses. Frau Köpsel ist seit vielen Jahren Mitglied im Berliner Behindertenverband e.V. Ebenso lange engagiert sie sich ehrenamtlich im Verein. Zum Beispiel beim Versand der Berliner Behindertenzeitung oder im Projekt „Einfache Sprache“. Ihre Herzlichkeit und gute Laune ist eine Bereicherung für jedes Team. Außerdem ist Frau Köpsel eine wichtige Stütze für die ehrenamtliche Arbeit im BBV, weil sie äußerst zuverlässig ist. Und sie bringt immer wieder wichtige Gesichtspunkte von Menschen mit Lernschwierigkeiten in die Vereinsarbeit ein.
BBZ: Frau Köpsel, was wäre Ihr größter Wunsch zum 3. Dezember ? Was würden Sie der Öffentlichkeit gerne sagen?
Gabi Köpsel: Leute, nehmt mehr Rücksicht! Aber nicht nur die Menschen untereinander. Auch die Regierung und die Verwaltung muss mehr Rücksicht nehmen auf schwächere Gruppen, wie Alte oder Behinderte.
BBZ: Was würde sich dann ändern? Können Sie uns ein Beispiel geben?
Gabi Köpsel: Also zum Beispiel das mit diesen Elektro-Rollern. Auf manchen Gehwegen stehen so viele von denen kreuz und quer. Da komme ich mit dem Rollstuhl gar nicht mehr durch. Aber nicht nur ich. Auch ältere Menschen mit dem Rollator stecken fest oder wenn man einen Kinderwagen schieben muss. Die Vermieter sollen jeden aufklären, der so einen Elektro-Roller anmietet. Zum Beispiel, dass sie beim Abstellen Acht geben müssen, dass alle durchkommen.
BBZ: Und wie kommt da die Regierung und die Verwaltung ins Spiel?
Gabi Köpsel: Also, Reden allein wird nicht helfen. Die Mehrheit nimmt sich das zu Herzen, ganz bestimmt. Wenn man ihnen sagt, dass sie andere behindern, wenn sie den E-Roller falsch abstellen. Aber es reicht ja schon, wenn sich ein paar nicht dran halten. Manchmal ist ein enger Gehweg ja schon mit einem Roller blockiert. Da muss die Regierung einfach Gesetze dazu erlassen. Alle Benutzer müssen dazu verpflichtet werden, mehr Rücksicht zu nehmen.
BBZ: Warum glauben Sie, dass Gesetze etwas verbessern?
Gabi Köpsel: Naja, das muss auch kontrolliert werden. Diese Roller brauchen zum Beispiel ein Nummernschild. Und die Vermieter können auf die Minute genau sagen, wer den gemietet hat. Dann weiß man doch, an wen der Strafzettel muss. Man muss nur wollen. Das ist doch mal eine sinnvolle Verwendung von der ganzen Digitalisierung. Bisher werden Menschen wie ich und Senioren doch nur davon abgehängt.
BBZ: Wie meinen Sie das, Sie werden wegen der Digitalisierung abgehängt?
Gabi Köpsel: Also, die Digitalisierung macht uns immer hilfloser. Menschen wie mich, aber auch Ältere. Alles ist nur noch im Internet möglich. Aber das begreife ich nicht, da muss mich jemand unterstützen. Früher konnten auch Lernbehinderte zum Beispiel zur Bank gehen. Da konnten sie dann mit den Mitarbeitern der Bank das erledigen. Heute gibt es ja kaum noch Filialen. Alles soll im Internet passieren. Und deswegen behindert uns die Digitalisierung.
BBZ: Haben Sie noch andere Beispiele, wo Sie durch die Digitalisierung behindert werden?
Gabi Köpsel: Auch Geldautomaten oder die Bedienung von Fernsehern – alles ist viel zu kompliziert und viel zu viele Auswahlmöglichkeiten. Da verliert man die Übersicht. Oder es muss schnell, schnell gehen. Zum Beispiel am Automaten. Das können aber viele nicht so schnell. Alle sagen, die Digitalisierung ist so toll. Aber wieso wird sie nicht so gemacht, dass Alle damit klar kommen? Keiner denkt dabei an Menschen mit Behinderungen. Darauf müssen sie aber mehr Rücksicht nehmen, wenn sie sich sowas ausdenken. Da müssen von Anfang an Menschen mit Behinderung dabei sein – Und die Regierung muss drauf aufpassen, dass das auch gemacht wird.
BBZ: Liebe Frau Köpsel, wir danken für das Gespräch!