Ohne Behinderung in die Selbstständikeit

„Ohne enterability wäre es sehr schwierig gewesen, vor allem beim Businessplan und den Anträgen für die Rentenversicherung“, sagt Jan Mezej (53). Im Dezember hat er in der Elisabethkirchstraße in Mitte sein Jano Api Veggi Café eröffnet. Unser Gespräch übersetzt eine Gebärdendolmetscherin, denn Mezej ist gehörlos. Diese Assistenz benötigt er bei Behördengängen oder in geschäftlichen Verhandlungen. Mit seinen Kunden im Café kommuniziert er selbstverständlich ohne Dolmetscher.

Vor einigen Jahren zog er von Nürnberg nach Berlin und hatte trotz einer Ausbildung als Techniker Schwierigkeiten, eine passende Anstellung zu finden. Er hatte schon immer einen Traum vom eigenen Café. Jetzt hat er sich ihn verwirklicht. Einige Erfahrung in der Gastronomie bringt Mezej mit, einst managte er das Catering in seinem Badmintonclub. „Mein Ziel ist es, neben dem Tagesgeschäft das JanoApi zu einem Treffpunkt für gehörlose Menschen zu etablieren“, formuliert der enagierte Gastronom seine Vision. Er ist von seiner Geschäftsidee überzeugt und hat keinen Zweifel, sie erfolgreich umzusetzen. Sein Café ist neben dem Café Ole in Neukölln das zweite dieser Art.
Ein Café zu eröffnen, klingt erst einmal gut. Geht aber leider nicht ganz ohne Geld. Der Gründer braucht also finanzielle Unterstützung, in diesem Fall einen Gründungszuschuss, den es aber nicht ohne überzeugenden Businessplan und Finanzierungsplan gibt. Hier hilft das Projekt „enterability“ in Berlin. Seit 2004 haben die Mitarbeiter des Projekts über 800 Menschen beraten und fast 300 von ihnen auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet. Seit 2013 ist das Projekt ein Integrationsfachdienst und wird ganz offiziell vom Integrationsamt Berlin gefördert. Der Sitz in der Glogauer Straße in Kreuzberg ist seit dieser Zeit ein willkommener Anlaufpunkt für behinderte Menschen, die sich ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllen wollen.

Seminare und persönliche Beratung helfen

Franziska Wüstefeld ist eine der Gründerinnen, die die Hilfe von enterability in Anspruch genommen haben. Als psychologische Psychotherapeutin möchte sie zukünftig in einer Gemeinschaftspraxis in der Frankfurter Allee Patienten als Kinder- und Jugendtherapeutin helfen. Wüstefeld sitzt selbst im Rollstuhl. Sie war nach dem Psychologiestudium an der FU Berlin zunächst einige Jahre in einer Klinik tätig und hat nebenbei eine mehrjährige Ausbildung zur Therapeutin erfolgreich absolviert. Nach einer Babypause wollte sie nicht mehr in den klinischen Bereich zurück. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres bereitete sie den Schritt in die Selbstständigkeit vor. Die professionelle Unterstützung durch enterability hilft ihr dabei sehr. Nach dem Einstiegsseminar besuchte Wüstefeld Seminare, unter anderem zu den Themen Marketing und Buchhaltung. Gespräche mit ihrer Beraterin Jeanette Oechsel, die selbst gelernte Psychologin ist, ergänzten ihre Vorbereitung. „Es ist angenehm, jemandem gegenüberzusitzen, der ständig mit Gründern mit einem Handicap zu tun hat. Meine Alltagsrealität ist nun einmal durch die Behinderung beeinflusst“, schätzt Wüstefeld die Vorteile des Coaching durch enterability gegenüber anderen Beratungsunternehmen ein. Außerdem haben die Berater beim Integrationsfachdienst keinen Erfolgsdruck und können so unabhängiger beraten. Der Weg ist nun einmal für viele Gründer steinig. Durch eine Behinderung bestehen oft zusätzliche Hürden, die bereits in der Planung berücksichtigt werden sollen. Vorurteile, zum Beispiel bei Kunden und Geschäftspartnern, sind leider immer noch an der Tagesordnung, auch wenn es mittlerweile hunderte von positiven Beispielen und viele Erfolgsstories gibt.

Manchmal trägt die Idee das Geschäft nicht

„Die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen, ist für Behinderte noch wichtiger als für andere“,  sagt Manfred Radermacher, der Leiter von enterability. „Wir unterstützen potentielle Gründer mit einer Behinderung derzeit mit sechs Mitarbeiterinnen.“ Radermacher besitzt nicht nur viel Erfahrung als Unternehmensberater für eine besondere Kientel, er ist immer noch von seiner Arbeit begeistert ist. Am Anfang war es nicht immer einfach. “Es gab in der Vergangenheit auch Probleme und längst nicht alle waren überzeugt, dass es sinnvoll ist, behinderten Menschen diese Beratung zur Selbstständigkeit anzubieten“. Die Mitarbeiter von enterability nehmen ihren Auftrag aber sehr ernst. Manchmal raten sie von der Gründung ab, dann, wenn die Idee nicht überzeugend ist. „Es ist sehr wichtig, bei nicht tragfähigen Konzepten oder falschen Vorstellungen den fachlichen Rat zu geben, lieber nicht den Schritt zu gehen, um aussichtslose Gründungen zu verhindern.“ Die Tatsache, dass 75 Prozent der Unternehmen noch am Markt sind, spricht für eine kompetente Beratung der Gründer durch enterability. Für ihre Arbeit erhielt das Team des Integrationsfachdienstes enterrability den Europäischen Unternehmensfördererpreis.
Für Mezej wird es Zeit, sein Café vorzubereiten. Immerhin hat es von Montag bis Freitag von 8 – 18 Uhr geöffnet. Das sind zehn Stunden Arbeitszeit, hinzu kommen die Vor- und Nachbereitungszeiten. Aber wer schaut schon auf Stunden, wenn man sich einen Traum verwirklicht und die Gäste zu Freunden werden.

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