Zahnärztlicher Notdienst jetzt mit Infos zur Barrierefreiheit

Niemand geht gerne zum Zahnarzt – vor allem nicht an Ostern. Aber Thorsten Gutt hatte keine Wahl, ihn plagten Zahnschmerzen. Zum Glück gibt‘s einen Notdienst; die Kassenzahnärztliche Vereinigung Berlin (KZV) gibt auf ihrer Internetseite an, welche Praxen an Feiertagen Dienst haben.

Für Gutt kommt aber nicht jede Praxis in Frage. Er nutzt einen Elektro-Rollstuhl – und bekanntlich sind nur wenige Praxen ausreichend barrierefrei. Auf der KZV-Seite fand er keine Infos, wie barrierefrei die Notdienstpraxen sind. Dort stand nur: „Fragen Sie bei den Zahnärzten telefonisch nach.“ Gutt rief also die Praxen an – aber da ging keiner ran. Ihm blieb nur, die Schmerzen über Ostern zu ertragen. Am Dienstag nach Ostern rief er bei der Patientenberatung der KZV an. Dort empfahl man ihn, nächstes Mal eine E-Mail an die Praxen zu schreiben – aber wer beantwortet E-Mails im Notdienst, wenn schon niemand ans Telefon geht? 

Am Tag darauf schrieb Gutt tatsächlich eine E-Mail – allerdings an die KZV: Er schilderte das Erlebte, forderte eine Verbesserung, „mit schmerzlichen Grüßen, Thorsten Gutt“.  Die KZV dankte für die Hinweise und kündigte an: „Wir haben unserem Dienstleister beauftragt, die Icons aus der Zahnarztsuche künftig auch bei den Notdienstpraxen aufzuführen.“ In der allgemeinen Zahnarztsuche können Patient:innen Icons wie „rollstuhlgerecht“ oder „Hausbesuche“ anklicken.Seine Beschwerde schickte Gutt auch an die Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin. Diese koordiniert die Patientenbeteiligung auf Landesebene und schrieb eine Stellungnahme an die KZV, um Gutts Beschwerde zu verstärken.

Die KZV hat Wort gehalten: Inzwischen sind bei der Notdienstsuche die gleichen Angaben zur Barrierefreiheit hinterlegt wie in der Zahnarztsuche allgemein. Oft werden diese Angaben kritisiert: Die Kriterien reichen bisher nicht aus, die Selbstauskünfte der Zahnarztpraxen sind teils falsch. Dennoch hat die Beschwerde einen Fortschritt gebracht.

Thorsten Gutt streitet nicht nur mit Beschwerden für Barrierefreiheit. In Reinickendorf ist er im Vorstand des Beirats für Menschen mit Behinderung. Auch im Berliner Behindertenparlament engagiert er sich, etwa in der Fokusgruppe Gesundheit und Pflege. Acht Fokusgruppen haben in diesem Jahr neue Anträge erarbeitet; am 7. Dezember debattiert das Behindertenparlament im Abgeordnetenhaus über diese Anträge – und übergibt sie an den Senat. Die Sitzung des Behindertenparlaments wird live übertragen.

Eine zweite Möglichkeit, für Patienteninteressen wie Barrierefreiheit aktiv zu werden, ist die gesetzliche Patientenbeteiligung. Diese ist im Sozialgesetzbuch und in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt. In Berlin werden Patientenvertreter:innen in 25 Gremien
verbindlich beteiligt. Welche Gremien das sind und wie man Patientenvertretreter:in wird, darüber informiert die Koordinierungsstelle Patientenvertretung der Landesvereinigung Selbsthilfe. Eine wichtige Aufgabe, findet auch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege und fördert die Koordinierungsstelle daher im „Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramm“.

Durch die Koordinierungsstelle können Beschwerden wie die von Thorsten Gutt gebündelt und gemeinsame Anliegen in den Gremien vertreten werden. Denn nicht alle haben die Kraft, nach einem Wochenende mit Zahnschmerzen noch eine Beschwerde zu formulieren.

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