behindert und verrückt feiern PRIDE PARADE: leise und laut — solidarisch und proud!
Die Straße gehört uns, egal wie wir sind. Deshalb protestieren wir und feiern uns selbst. Einige von uns sind verunsichert, weil ihnen Angst gemacht wird oder weil sie bewusst klein gehalten werden, damit sie keine Forderungen stellen. Der Widerspruch dagegen regt sich, auch wenn er dann oft leise beginnt. Andere sagen schon laut, wer und was sie ausgrenzt, und fordern selbstbewusst, also proud, Respekt. Alle zusammen sind wir solidarisch — untereinander und im Umgang mit Anderen, die diskriminiert und unterdrückt werden!
Wir werden aus unterschiedlichen Gründen ausgegrenzt von der Gesellschaft, die uns sagt, dass wir anders sind. Wir werden auf unterschiedliche Weisen diskriminiert. Doch wir kämpfen gegen eine Gesellschaft, in der es eine Vorstellung von „normal“ gibt. Deswegen gehen wir alle zusammen auf die Straße und zeigen uns, so wie wir sind.
Seit Kurzem gibt es eine neue Bundesregierung. Auf vielen Seiten haben die beteiligten Parteien aufgeschrieben, was sie in den nächsten Jahren tun wollen. Einige Absätze befassen sich auch mit behinderten und verrückten Menschen. Mit dem, was dort steht, können wir aber nicht zufrieden sein. Das Betreuungsrecht soll „weiter entwickelt“ werden. Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung bleiben weiter möglich und Betreuer*innen entscheiden weiter über die Köpfe der Betreuten hinweg. Wir fordern: keinen Zwang, und Assistenz statt Betreuung! Und wir wollen ein Teilhabegesetz, das behinderten und verrückten Menschen tatsächlich die Assistenz und Unterstützung garantiert, die sie brauchen!
Die sogenannte „Behindertenhilfe“ macht weiter wie bisher. Die Etiketten sehen zwar besser aus als vor 120 Jahren, der Inhalt hat sich aber deutlich weniger verändert. Vor 120 Jahren sollten „Krüppel“ und „Idioten“ durch Arbeit zu „anständigen“ und brauchbaren Mitgliedern der Gesellschaft erzogen werden. Diejenigen, bei denen das misslang, wurden notdürftig in Anstalten untergebracht. Natürlich nennt das heute niemand mehr so, überall steht jetzt „Teilhabe“ und „Inklusion“ drauf. Aber immer noch steht Arbeit im Zentrum. „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ haben Vorrang vor allem anderen. Die Frage, ob der Mensch dabei entlohnte Arbeit verrichtet, in Behindertenwerkstätten für 180 Euro im Monat in der Produktion ausgebeutet wird oder Produktion nur vorgetäuscht wird, ist dabei drittrangig.
Der Zwang, in diesem kapitalistischen System funktionieren zu müssen, gilt nicht nur für jene unter uns, die unter schlechten Bedingungen Lohnarbeit leisten müssen. Er gilt auch für die Menschen, die längst aussortiert wurden, weil sie den Anforderungen dieses Systems nicht entsprechen. Patient*innen in der Psychiatrie sollen nicht nur lernen, dass sie „psychisch krank“ sind. Sie sollen diese sogenannte Krankheit akzeptieren und werden auf sie reduziert.
Gleichzeitig geht es aber darum, die Betroffenen wieder „fit“ für den Arbeitsmarkt zu machen und verwertbar für das kapitalistische System. Gelingt das nicht, werden sie eben in Zuverdienst-Werkstätten abgeschoben, um im „geschützten Rahmen“ sehr wenig Geld zu verdienen. Inklusion sieht anders aus!
Ähnlich ist die Situation von geflüchteten Menschen in Deutschland. Auch sie gelten erst dann als gut und sind erst dann willkommen, wenn sie in Deutschland arbeiten und überhaupt arbeitsfähig sind. Dass viele mit Behinderungen leben und dass sie individuelle Unterstützung benötigen, dass viele auch traumatische Erfahrungen verarbeiten müssen, wird übersehen. Die Unterkünfte sind meist nicht mal barrierefrei und medizinische Behandlung wird nur bei akuten Erkrankungen gegeben. Wir fordern: Schluss mit dieser Diskriminierung und allen anderen, und Barrierefreiheit überall!
Die Fixierung der Gesellschaft auf Verwertbarkeit schlägt auch auf die Pränataldiagnostik durch. Bluttests, mit denen die Wahrscheinlichkeit für einige Behinderungen leichter festgestellt werden können als bisher, stehen kurz davor, zur Krankenkassen-Leistung zu werden. Damit werden behinderte Menschen als unerwünscht dargestellt. Personen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, geraten hingegen wieder stärker unter Druck von reaktionären sogenannten „Lebensschützer*innen“ und anderen Konservativen. Wir fordern: Schwangerschaftsabbrüche legalisieren, gesellschaftlichen Druck zur Selektion bekämpfen!
Für all das gehen wir
am Samstag, den 23. Juni 2018,
um 15 Uhr am Hermannplatz,
(über Kottbusser Damm zum Südblock)
auf die Straße.
Dort zeigen wir uns so, wie wir sind – verrückt, humpelnd, sonderbar, verstört, lahm, stotternd, abwegig, befremdlich. Deshalb:
leise und laut – solidarisch und proud!
Damit es euch auf der Parade gut geht, versuchen wir sie so barrierefrei wie möglich zu machen: Sowohl am Start als auch am Ziel stehen barrierefreie Toiletten zur Verfügung. Es gibt ein Unterstützungsteam, das du ansprechen kannst, und Möglichkeiten zum Ausruhen. Die Redebeiträge werden in Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Kommt alle!
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