Auf Rekordjagd bei den „Großen“

Para Schwimmen: Taliso Engel feierte 2016 mit 13 Jahren seine EM-Premiere, gut zwei Jahre später ist eine Finalteilnahme das Ziel – Der deutsche Rekord über 100 Meter Brust soll schon bei der IDM in Berlin purzeln

2004 schnappte sich Daniel Clausner in Athen Paralympics-Gold über 100 Meter Brust in der Startklasse der Sehbehinderten. Nun wackelt der von ihm aufgestellte deutsche Rekord in dieser Disziplin. Der Grund dafür ist gerade mal 16 Jahre alt geworden und heißt Taliso Engel. Der junge Schwimmer hat eine steile Entwicklung hingelegt, will in diesem Jahr bei der Europameisterschaft in Dublin angreifen – und sich Clausners deutschen Rekord schnappen.

2017 wollte Taliso Engel seine WM-Premiere feiern. Er war bereits zum Höhentrainingslager in Mexiko, als ein starkes Erdbeben das Land erschütterte und die Austragung der Wettkämpfe unmöglich machte. Drei Monate später wurde die WM nachgeholt – ohne Taliso. „Ich wäre sehr gerne dabei gewesen und war schon traurig, dass es nicht geklappt hat. Allerdings hätte das wegen der Schule mit der Vorbereitung nicht noch einmal hingehauen“, sagt der Nürnberger. Als kleiner Trost machte er stattdessen bei der Junioren-EM mit – und trumpfte dort mächtig auf. Vier Medaillen brachte er mit nach Hause. „Es lief sehr gut für mich“, berichtet der sehbehinderte Schwimmer grinsend.

2016 war Taliso Engel mit 13 Jahren der jüngste Schwimmer bei der EM

Ein Jahr zuvor, im Mai 2016, war Taliso Engel schon bei den Europameisterschaften bei den „Großen“ im portugiesischen Funchal dabei. Damals war er noch 13 Jahre alt und nicht nur der mit Abstand jüngste Athlet im deutschen Aufgebot, sondern der gesamten EM. Taliso überzeugte und präsentierte sich unbekümmert. Ihm gelangen fünf persönliche Bestzeiten auf sechs Strecken. Diesmal soll die erste Finalteilnahme seiner jungen Karriere bei so einem großen Wettkampf hinzukommen. „Das ist mein Ziel.“ Und natürlich hat er auch die Paralympics 2020 in Tokio im Blick. „Die Spiele in Rio habe ich teilweise am Fernseher verfolgt“, sagt Taliso Engel. In gut zwei Jahren will er dann am liebsten selbst mitmischen.

Der Nürnberger startet in der Klasse S13. Auf dem rechten Auge sieht er nur noch zwischen drei bis vier Prozent, links ist es etwas mehr. Die Sehbehinderung hat er von klein auf. Vom Schwimmen konnte ihn das nicht abhalten. „Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Angefangen habe ich schon vor zehn Jahren“, erzählt Taliso. Seit 2013 hat er sein Pensum deutlich intensiviert, trainiert im Verein in Nürnberg in einer inklusiven Gruppe. Leistungssport statt Hobby. „Ich kann dabei ganz normal alles mitmachen und habe richtig Spaß am Schwimmen. Für mich ist es nur schwerer, die Entfernung zur Wand einzuschätzen und ich muss mich beispielsweise beim Rückenschwimmen an den Leinen orientieren statt an der Decke.“

Sechsmal trainiert er pro Woche nach der Schule in Nürnberg, ist zudem mit der Nationalmannschaft oder mit dem TSV Bayer 04 Leverkusen, für den er international startet, häufig zu Lehrgängen und Wettkämpfen unterwegs. Dass es für ihn hervorragend läuft, unterstreichen seine Zeiten. Den deutschen Rekord über 50 Meter Brust hat er sich bereits vor wenigen Wochen geschnappt, der über 100 Meter soll folgen. „Taliso schwimmt technisch sehr sauber und entwickelt sich toll. Mit seinen Zeiten über 50 und 100 Meter Brust hat er Duftmarken gesetzt. Er befindet sich in einer spannenden Phase, wohin ihn sein Weg künftig führen wird“, sagt Bundestrainerin Ute Schinkitz. Gemeinsam mit Taliso Engel oder auch Elena Krawzow, die vor ihrem Wechsel nach Berlin ebenfalls in Nürnberg schwamm, verbessern sich auch die Strukturen in Bayern für Schwimmer mit Behinderung. „Es gibt dort inzwischen einen Landestrainer und gute Ansätze, das ist sehr positiv für dieses große Bundesland“, betont Schinkitz.

Das ist perspektivisch auch wichtig für Taliso Engel. Doch zunächst hat er in diesem Jahr vor allem die EM in Dublin Mitte August im Kopf sowie seine ersehnte erste Finalteilnahme. Und den deutschen Rekord über die 100 Meter Brust – der soll am liebsten schon bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften im Para Schwimmen vom 7. bis 10. Juni im schnellen Berliner Wasser purzeln. Darüber würde sich sicherlich auch Paralympics-Sieger Daniel Clausner freuen.

IDM Schwimmen: Topstars und Talente

Topstars und Talente im Wasser: Vom 7. bis 10. Juni finden in der Berliner Schwimm- und Sprunghalle im Europa Sportpark die 32. Internationalen Deutschen Meisterschaften im Para Schwimmen statt. Dabei treffen Paralympics-Sieger auf Nachwuchsathleten. „Wir haben zwei Jahre vor den Spielen in Tokio einerseits zahlreiche Goldmedaillengewinner in Berlin versammelt, andererseits ist es die weltweit größte Nachwuchsveranstaltung im Para Schwimmen. Das wird wieder ein wunderbares Kräftemessen“, freut sich Matthias Ulm vom Berliner Schwimmteam.

Zudem ist die Hauptstadt auch die letzte Station der World Series des Internationalen Paralympischen Komitees. Insgesamt werden rund 630 Schwimmerinnen und Schwimmer aus 47 Nationen im schnellen Berliner Wasser an den Start gehen. Los geht es ab Donnerstag jeweils vormittags um 9 Uhr und nachmittags um 17 Uhr, am Sonntag bereits um 16 Uhr. Alle Informationen zu den Wettkämpfen gibt es unter www.idm-schwimmen.de.

 

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