Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung 2018
Volle und gleichberechtigte Teilhabe endlich gewährleisten. Zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember erklärt Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik: Behinderte Menschen sind in Deutschland noch immer weit entfernt von einer gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Daran hat auch das von Schwarz-Rot verabschiedete Bundesteilhabegesetz viel zu wenig geändert. Union und SPD haben ihr Versprechen, ein modernes Teilhaberecht im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu schaffen, nicht eingelöst, denn ihr Gesetz ist ein kompliziertes Ungetüm und leistet nicht, was der Name verspricht.
Je mehr die Bundesländer versuchen, die Gesetzesvorgaben auf Landesebene umzusetzen, desto deutlicher wird, dass es keineswegs die grundlegenden Verbesserungen bringt, zu denen sich Deutschland mit der Ratifizierung der UN- Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat. Selber entscheiden, wo und wie man wohnt, die nötige Unterstützung zur Teilhabe erhalten, beispielsweise im Ehrenamt – all diese Vorgaben wurden willentlich verfehlt. Auch den bestehenden Flickenteppich in der Eingliederungshilfe löst es nicht auf. Für behinderte Menschen gibt es deshalb weiterhin keine einheitlichen Lebensverhältnisse überall in Deutschland.
Und trotz Bundesteilhabegesetz wird Menschen mit Behinderungen immer noch die nötige Unterstützung für eine selbstbestimmte Lebensführung verwehrt, wie der Fall von Birgit Kalwitz kürzlich gezeigt hat. Das ist eine Schande – und leider kein Einzelfall, wie ich nicht zuletzt durch Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig erfahre.
Das Bundesteilhabegesetz muss dringend nachgebessert werden, damit behinderte Menschen endlich so leben, arbeiten und wohnen können, wie sie es möchten und dafür die nötige Unterstützung erhalten.
Hintergrund: Welche gesetzlichen Änderungen dafür nötig sind, formuliert unser Antrag „Bundesteilhabegesetz nachbessern und volle Teilhabe ermöglichen“ (19/5907): http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/059/1905907.pdf
Mitte November haben verschiedene Medien darüber berichtet, wie Birgit Kalwitz in Düren seit Jahren dafür kämpft, dass sie die nötige Assistenz erhält. Sie lebt mit spinaler Muskelathropie und braucht bei allen alltäglichen Dingen Unterstützung – zum Beispiel, um sich die Nase putzen, zur Toilette zu gehen, zu Essen und Trinken. Der Kreis Düren gewährte ihr aber zunächst nur 4,5 Stunden Assistenz pro Tag. Sie klagte auf 18 Stunden tägliche Assistenz. Erst nach einer Demonstration und der Übergabe von 57.000 Unterschriften zeigte sich der zuständige Landrat einsichtig.
„Partizipation ist ein Gradmesser für Inklusion“
BeB startet Webseite www.beb-mitbestimmen.de zum Projekt „Hier bestimme ich mit – Ein Index für Partizipation“ und will im Jahr 2019 das Augenmerk auf Verbesserung von Mitbestimmung richten
Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB) startet anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember die Webseite www.beb-mitbestimmen.de, auf der umfassende Informationen zum Projekt „Hier bestimme ich mit – Ein Index für Partizipation“ zu finden sind. „Wir wollen im kommenden Jahr verstärkt das Augenmerk auf Partizipation von Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung richten“, erklärt der BeB-Vorsitzende Uwe Mletzko, „denn ob diese nicht nur dabei sein, sondern auch mitbestimmen dürfen, ist ein Gradmesser dafür, wie inklusiv eine Organisation oder unsere Gesellschaft wirklich ist“.
Ziel des Projekts, das der BeB seit 2016 gemeinsam mit dem Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW) realisiert, ist die Verbesserung der Partizipationsmöglichkeiten und -bedingungen für Menschen mit Behinderung, wobei vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten, psychischen Erkrankungen oder hohen Unterstützungsbedarfen im Fokus sind. Im nächsten Jahr wird der „Index für Partizipation“, der sich derzeit in der Testphase befindet, veröffentlicht, und zwar sowohl in schwerer als auch unter dem Titel „Hier bestimme ich mit“ in Leichter Sprache. Der Fragenkatalog soll Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie die partizipative Arbeit erleichtern. Menschen mit Behinderung sollen ihre Beteiligungsmöglichkeiten erweitern können und an politischen Prozessen im Gemeinwesen mitwirken.
Das Vorhaben dauert insgesamt fünf Jahre und ist selbst partizipativ angelegt: Menschen mit Behinderung sind in allen Phasen des Projektes beteiligt (Vorbereitung/Konzipierung, Durchführung/Erprobung, Verbreitung der Projektergebnisse). Es gibt drei Praxisstandorte, die im Projekt mitwirken: In der Gemeinde Leben gGmbH, Düsseldorf, eva Evangelische Gesellschaft Stuttgart, sowie Bodelschwingh-Haus Wolmirstedt Stiftung, Wolmirstedt. Das Projekt wird durch einen wesentlichen Zuschuss der Aktion Mensch Stiftung ermöglicht und darüber hinaus durch den Ecclesia Versicherungsdienst GmbH unterstützt sowie durch die CURACON Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH und die EB-Research GmbH gefördert. Die verbleibenden Kosten werden durch Eigenmittel des BeB abgedeckt.
Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB) ist ein Fachverband im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Seine rund 600 Mitgliedseinrichtungen halten Angebote für mehr als 100.000 Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung aller Altersstufen bereit. Damit deckt der BeB wesentliche Teile der Angebote der Behindertenhilfe sowie der Sozialpsychiatrie in Deutschland ab. Als Zusammenschluss von evangelischen Einrichtungen, Diensten und Initiativen fördert, unterstützt und begleitet der BeB Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung und deren Angehörige und wird selbst durch zwei Beiräte aus diesen Interessengruppen kritisch begleitet.