Alltag einer Pflegefachkraft

Der Wecker klingelt ungewöhnlich früh an diesem Donnerstag im August: Es ist 4:00 Uhr morgens. Schnell wach werden, dreimal schütteln, Zähne putzen, anziehen und raus. Um 4:30 Uhr ist Abfahrt. Von Steglitz aus machen wir uns auf den Weg Richtung Waidmannslust zum Standort des Ambulanten Dienstes der Fürst Donnersmarck-Stiftung (AD) in der Nordmeile. Dort haben wir uns um 5:15 mit Pflegefachkraft Marco Noack verabredet. Morgens kommt man in Berlin gut voran – kurz nach 5.00 Uhr treffen wir schon in der Nordmeile in Berlin-Reinickendorf ein.

Marco Noack ist bereits vor Ort und nimmt uns mit hoch in das Büro des AD, wo unsere Frühschicht beginnt. „Ich bin nicht der erste heute“, stellt er fest. Eine Kollegin war vor ihm schon hier. Im Büro prüft er vor der Abfahrt noch einmal seine Route. Nach ein paar Minuten gehen wir in die Tiefgarage, steigen ins Auto und um 5:20 Uhr starten wir. Auf dem Plan stehen heute insgesamt 29 Stationen. Am Ende des Tages werden wir ca. 60 km im Auto zurückgelegt haben, ohne den Norden Berlins zu verlassen.

Kleine und große Einsätze warten auf eine AD-Pflegefachkraft

Schon nach fünf Minuten erreichen wir die erste Station im Märkischen Viertel. Mit dem Aufzug fahren wir den Plattenbau hinauf. Für die Wohnung dieses Klienten hat der Ambulante Dienst einen Schlüssel, den sich Marco am Morgen noch im Büro abgeholt hat. „Guten Morgen, ich habe, wie angekündigt, noch zwei Gäste dabei“, ruft er in die Wohnung. Aber der Klient liegt noch im Bett und gibt nur eine unverständliche Antwort. Marco ist hier, um dem jungen Mann Nasenspray zu verabreichen. „Der könnte das schon noch allein. Aber er vergisst es einfach“. Der junge Mann bekommt mit Hilfe des Sprays Hormone, die sein Körper nach einem Hirntumor nicht mehr selbst produzieren kann. Keine zwei Minuten dauert es, da sind wir schon wieder draußen und der Klient schläft weiter.

Kurze Einsätze sind für eine Pflegefachkraft des AD keine Seltenheit. Oft sind wir nur wenige Minuten bei den Klientinnen und Klienten. Der häufigste Auftrag: Kompressionsstrümpfe anziehen. Denn viele Klientinnen und Klienten sind aufgrund ihrer Einschränkungen oder ihres Alters hierbei auf Unterstützung angewiesen. Auch die Medikamentengabe oder das Verabreichen von Insulinspritzen gehören zu den Hauptaufgaben. Die Unterstützung bei der Körperpflege und Hauswirtschaft übernehmen in der Regel Pflegekräfte. Aber keine Regel ohne Ausnahmen.

Für Marco Noack Alltag

Denn Frau Meyer  (Name wurde von der Redaktion geändert), die zweite Klientin dieser Tour, ist einer der größeren Einsätze für uns. Um etwa 5:45 Uhr kommen wir vor ihrem Haus an. Frau Meyer hat einen sehr hohen Pflege- und Unterstützungsbedarf. An diesem Morgen empfängt uns ihr Sohn, der uns willkommen heißt und uns noch einmal versichert, dass wir gerne mit ins Haus kommen dürfen. Sie seien mit dem Ambulanten Dienst sehr zufrieden und es sei „besonders schön, dass immer dieselben Mitarbeiter kommen.“ So sei ein Vertrauensverhältnis entstanden.

Frau Meyer selbst liegt in einem Pflegebett im Wohnzimmer. Die alte Couchgarnitur und der massive Tisch mussten dafür an den Rand des Raumes weichen. Sie ist stark dement, hat ein schwaches Herz und ein gebrochenes Hüftgelenk. Außerdem wird sie mit Hilfe einer Sonde ernährt. Marcos Aufgabe: die Sondennahrung verabreichen sowie die Körperpflege durchführen. Dabei hilft ihm ihr Sohn, da Frau Meyer auch aufgerichtet werden muss und aufgrund der Demenz teilweise unkontrolliert um sich schlägt und schreit.

Nach dem Besuch bei Frau Meyer geht die Fahrt weiter nach Frohnau, wo der Großteil der Tour auf uns wartet. Denn der AD unterstützt auch viele Klientinnen und Klienten in unterschiedlichen Einrichtungen der Stiftung: Dem P.A.N. Zentrum für Post-Akute Neurorehabilitation, in der Wohnanlage in der Zeltinger Straße und dem Haus Am Querschlag. Gerade im P.A.N. Zentrum sind die Wege kürzer und die Wegezeiten zwischen den einzelnen Stationen fallen weg. Wir gehen von Wohnverbund zu Wohnverbund, von Klientin zu Klient. Auch hier: Kompressionsstrümpfe anziehen und Medikamente verabreichen, aber vor allem Zuckerspiegel messen und Insulin spritzen.

Seit fünf Jahren arbeitet Marco Noack nun schon als Pflegefachkraft beim Ambulanten Dienst der Fürst Donnersmarck-Stiftung. Und die Klientinnen und Klienten scheinen alle sehr zufrieden mit ihm zu sein. An jeder Stelle wird er gelobt. Eine Klientin, die wir um etwa 9:30 Uhr besuchen, fasst für uns zusammen: „Der macht das einfach toll, der Marco.“

Immer auf Tour

Nach dem zweiten Teil der Autotour durch Reinickendorf kommen wir gegen 11:20 Uhr wieder im P.A.N. Zentrum an und machen zunächst einmal eine halbe Stunde Pause. Immerhin sind wir nun schon seit 6 Stunden unterwegs. Die vielen Fahrten zwischen den Klienten machen sich hier bemerkbar – teilweise ist die Wegstrecke länger als der eigentliche Aufenthalt vor Ort. Marco genießt das allerdings: „Die Fahrten sind zwar kein Pausen, aber sie sind gut zum Abschalten. Man ist diese paar Minuten für sich.“

Allerdings kommt es regelmäßig vor, dass die Tour einer Pflegefachkraft länger dauert als geplant. Wenn beispielsweise der Verkehr zu dicht ist oder sie Stopps von anderen Touren übernehmen muss. Das könne schon mal passieren – vor allem bei Urlaubsvertretungen. Allerdings gebe es bei den Pflegefachkräften glücklicherweise nur sehr wenige krankheitsbedingte Ausfälle. Denn der spontane Ausfall einer Pflegefachkraft ist nur schwer zu kompensieren. Marco selbst hat in seinen fünf Jahren beim AD keinen einzigen Dienst verpasst, ohne dass dies vorher angekündigt war.

Um 12:10 Uhr machen wir uns vom P.A.N. Zentrum aus schließlich auf den Rückweg.  Nur noch zwei Medikamentengaben stehen auf dem Plan. Um kurz nach halb eins treffen wir dann wieder in der Nordmeile ein, wo Marco seinen Dienst und wir unseren Tag als Pflegefachkraft-Hospitanten beenden.

Die BBZ-Redaktion: Zum 20-jährigen Jubiläums des Ambulanten Dienst der Fürst Donnersmarck-Stiftung gratulieren wir ganz herzlich. Weitere Informationen und Geschichten rund um den Ambulanten Dienst der Fürst Donnersmarck-Stiftung finden Sie unter www.ad20.berlin.

Von: