Essentieller Tremor – wenn Zittern zum Problem wird
Seit etwas mehr als zwei Jahren treffen sich bei SEKIS in der Bismarckstraße Menschen zwischen 35 und 85 Jahren, die ein gemeinsames Problem haben. Ständig oder immer wieder zittern die Hände, der Kopf oder die Beine und das kann im Alltag erheblich behindern und führt auch nicht selten zu unangenehmen Reaktionen anderer Menschen, die wiederum Scham- und Minderwertigkeitsgefühle bei den Betroffenen verursachen.
„Ich könnte keine Suppe essen oder eine Tasse Kaffee eingießen, ohne alles zu verschütten“, so schildert es Dorit Klempin (69), die eine der Ansprechpersonen der `Selbsthilfegruppe Essentieller Tremor` in Charlottenburg-Wilmersdorf ist. Sie selbst hat die Symptome der Erkrankung mit Ende Zwanzig das erste Mal festgestellt und konnte trotzdem in ihrem Beruf als Finanzbuchhalterin arbeiten, aber für viele ist die Erbkrankheit auch beruflich eine Belastung. Heilbar ist die Krankheit nicht, aber medikamentös behandelbar und seit einigen Jahren besteht auch die Möglichkeit einer operativen Hirnstimulation. Dorit Klempin hat darüber nachgedacht, sich intensiv in der Charité beraten lassen, aber schließlich dagegen entschieden.
Den Tipp, sich einer Selbsthilfegruppe (SHG) anzuschließen, bekam sie von ihrem Neurologen und durch einen Anruf bei SEKIS erfuhr sie damals von der relativ neuen SHG. Die 8-9 Aktiven treffen sich einmal im Monat für ca. zwei Stunden. Während der ersten Phase der Pandemie blieb die Gruppe durch Telefon und Emails in Kontakt, aber alle waren froh, dass SEKIS ab Mai 2020 seinen großen Raum für aktuell zehn Personen wieder öffnete. „Große Gruppen, die sich früher mit 25 Personen hier trafen, haben nun natürlich ein Problem“, sagt Daniel Jux von der Selbsthilfekontaktstelle. Jux (33) ist seit Ende 2019 Mitarbeiter bei SEKIS und berichtet, dass durch die Pandemie nicht nur die regelmäßigen Gruppentreffen betroffen sind. „Wir hatten 2020 verschiedene Aktivitäten für alle Gruppen geplant, die komplett ausfielen. Ein TaiChi-Workshop, Trommeln mit Ricarda Raabe, ein Schnupperangebot Impro-Theater und ein Infotag Junge Selbsthilfe. Auch das Neujahrstreffen im Januar konnte nicht stattfinden.“
Die Besonderheit bei SEKIS ist, dass die Kontaktstelle des Bezirks und die zentrale Kontaktstelle für Berlin unter einem Dach Hand in Hand zusammen arbeiten. Dadurch haben Daniel Jux und Ricarda Raabe oft Anfragen, die gar nicht ihren Bezirk betreffen. SEKIS kennen sehr viele Menschen aufgrund der SEKIS Datenbank, in der alle Gruppen in Berlin aufgeführt sind. Die Gruppe Essentieller Tremor hat auch nicht nur Mitglieder aus Charlottenburg-Wilmersdorf oder den Nachbarbezirken, ein Mitglied kommt aus Karow, ein anderes Mitglied aus Köpenick zu den Treffen. Insgesamt treffen sich aktuell 46 Selbsthilfegruppen in den Räumen von SEKIS, nur zwei Gehminuten vom U-Bahnhof Deutsche Oper entfernt. Es gibt auch immer wieder ganz neue Themen in der Selbsthilfe. In Gründung befinden sich zur Zeit eine Gruppe `Depression & Selbstständigkeit` und eine SHG `Verschickungskinder`. „Früher bis in die 90er Jahre gab es die sogenannte Verschickung von Kindern aus gesundheitlichen Gründen zur Erholung in Heime an der See oder in den Bergen. Dabei gab es auch Missbrauch und die Folgen können bis heute belasten“, erklärt Daniel Jux, der schon einige Stationen in der Selbsthilfe hinter sich hat und vor SEKIS bei SEKIZ Potsdam, bei der BAG Selbsthilfe und NAKOS gearbeitet hat.
Nach seinem Studium Volkswirtschaftslehre hat er in der Selbsthilfe und sozialen Arbeit seit fünf Jahren ein ganz neues Betätigungsfeld für sich gefunden. Außerdem hat Jux noch einen Vorteil, wenn er über Selbsthilfe spricht: „Vor acht Jahren war ich selbst für zwei Jahre in einer Selbsthilfegruppe und kenne auch die Nutzerperspektive. Ich habe mich dann auch ehrenamtlich im Projekt Junge Selbsthilfe engagiert und bin so in meine spätere Tätigkeit hineingewachsen.“ Wer mit der Diagnose Essentieller Tremor Unterstützung durch eine Selbsthilfegruppe sucht, kann sich bei SEKIS melden, alle anderen an Selbsthilfe Interessierten aus Charlottenburg-Wilmersdorf natürlich auch:
SEKIS Selbsthilfe-Kontaktstelle, Bismarckstraße 101, 10625 Berlin.
Telefon 890 285 38, Email selbsthilfe@sekis-berlin.de, Internet www.sekis.de