Die „Selbsthilfekiste“ im Märkischen Viertel
Seit 1988 steht die „Selbsthilfekiste“ am Rande des Märkischen Viertel in Reinickendorf. Aufgrund der Form wurde der einstöckige Bau (Günter-Zemla-Haus) früher so genannt, berichtet Susanne Kühle. Sie ist eine von aktuell drei Mitarbeiterinnen der Kontaktstelle für Selbsthilfe. Sie selbst ist seit 2003 dort tätig und in den drei Räumen treffen sich normalerweise über 30 Gruppen, wenn nicht gerade eine Pandemie das Zusammentreffen von Menschen erschwert.
„Ganz aktuell ab 1. April dürfen nur noch 5 Personen pro Gruppe erscheinen, Testungen in der Selbsthilfe, um zumindest neun Personen zuzulassen, sind praktisch kaum umsetzbar“, erklärt Frau Kühle und fragt sich, wie die Gruppen diese erneute Reduzierung in den kommenden Wochen verkraften. „Einige sind längst auch virtuell organisiert, andere müssen sich jetzt eventuell noch einmal teilen, um persönliche Treffen durchzuführen“.
Wenn der Funke überspringt
Das Gespräch mit Frau Kühle fand per Videokonferenz statt und Ralf und Maria Fucke-Wilke waren für ihre Gruppe dabei. Die Selbsthilfegruppe zum Thema Sucht hat wöchentlich zwei Termine und beiden leiten sie schon seit vielen Jahren. Sie haben sich in der Gruppe 1998 kennengelernt, wurden kurz danach ein Paar und sind seit 2002 verheiratet. Beide sind nicht nur Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe, sondern auch Mitglieder im Verein Alkoholfreies Leben (VAL), der insgesamt 27 Gruppen an 14 Standorten in Berlin anbietet. „Natürlich
muss niemand, der zu uns in die Gruppe kommt, Mitglied im Verein werden. Ich sage vielleicht einmal im Jahr, dass es schön wäre, wenn sich jemand anmeldet, weil der Verein viel anbietet“, stellt Ralf gleich klar und seine Frau ergänzt, dass neben Festen auch Spaziergänge oder Wanderungen in der Umgebung organisiert werden. Selbst gemeinsame Busfahrten wie im vergangenen Jahr nach Magdeburg finden statt. Dieses Jahr soll der Leipziger Zoo besucht werden.
Aktive alkoholfreie Freizeitgestaltung ist ein gutes Mittel, wenn man den „Freund Alkohol“ hinter sich lässt, heißt es auf der Webseite des Vereins und Maria und Ralf leben das seit Jahrzehnten. „Besonders ist, dass unsere Gruppen auch für Angehörige offen sind“, berichtet Ralf und fügt hinzu, dass es neben VAL andere Selbsthilfegruppen und Organisationen gibt, aber keine Konkurrenz um das beste Konzept. Susanne Kühle ergänzt, dass sich auch die Gruppe „Märkisches Viertel“ der Guttempler-Gemeinschaft in der Räumen am Eichhorster Weg trifft, außerdem gibt es weitere Gruppen im Bezirk zum Thema Sucht (Anderes Leben, AlAnon, Blaues Kreuz). Jeder muss selbst herausfinden, welche Gruppe und welches Konzept für ihn passt. Ralf hat seine Gruppe gefunden und sogar die Frau fürs Leben. Er hatte neben Alkohol auch andere Drogen konsumiert (polytox) und schätzt den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung in der Gruppe und im Verein. Während in anderen Konzepten (12-Schritte-Prinzip der sogenannten Anonymen Gruppen) Rituale sehr wichtig sind und Äußerungen in der Gruppe oft nicht kommentiert werden (kein Dialog), sind die Treffen in seiner Gruppe stets locker.
„Der Altersdurchschnitt liegt bei ca. 50 Jahren, aber auch Dreißigjährige oder Jüngere sind dabei. Vor Corona kamen meistens mehr als 15 Personen zu unseren Treffen. Ralf und Maria hoffen, wie alle in der Selbsthilfe, dass es in einigen Monaten wieder möglich sein wird, dass mehr Menschen in den Gruppen zusammen kommen dürfen. Maria Fucke-Welke hofft: „Vielleicht können wir dann im zweiten Halbjahr noch etwas von den Aktivitäten nachholen, die in den vergangenen Monaten ausfallen mussten“. Susanne Kühle und ihre Kolleginnen würden dann auch gerne wieder ein Gesamtgruppentreffen oder ein Treffen für Gruppenleitende mit Fortbildung organisieren. Doch ersteinmal muss Corona gestoppt werden.
Kontaktadressen:
Selbsthilfe- und Stadtteilzentrum Reinickendorf
Eichhorster Weg 32, 13435 Berlin
Tel.: 030 416 48 42
Mail: selbsthilfezentrum@unionhilfswerk.de
Web: www.unionhilfswerk.de/selbsthilfe
Verein für alkoholfreies Leben VAL e.V.
Neufertstraße 14, 14059 Berlin
Tel.: 030 347 877 87
Web: val-ev.de.