Selbsthilfe in Neukölln und die Selbsthilfegruppe Multiples Myelom

Als Matthias Minhöfer 2008 die Diagnose Multiples Myelom erhielt, haben seine Frau und seine Töchter viel im Internet recherchiert. Neben den verschiedenen Therapien fanden sie auch Hinweise zur Selbsthilfe. Außerdem hieß es dort, dass die durchschnittliche Lebenserwartung fünf Jahre beträgt.

Matthias Minhöfer (71) ist immer noch aktiv in seiner Gruppe, die in der Region Berlin-Brandenburg zirka 150 Mitglieder hat, von denen sich etwa 15 einmal im Monat in der Lipschitzallee treffen. Herr Minhöfer leitet die 1999 gegründete Selbsthilfegruppe seit 2011. Der Altersdurchschnitt liegt bei rund 70 Jahren, die Erkrankung tritt extrem selten vor dem 50. Lebensjahr auf. Multiples Myelom (auch Plasmozytom, Morbus Kahler, Myelomatose oder Plasmazell-Myelom) ist eine Krebserkrankung, die die Plasmazellen des Knochenmarks betrifft. Symptome sind eine Auflösung der Knochen, infolgedessen es häufig zu Frakturen kommen kann sowie eine Schwächung des Immunsystems, was letztlich zu lebensbedrohenden Lungenentzündungen führen kann. Die rasante Entwicklung von Therapien ist für die Betroffenen von Krebserkrankungen sehr wichtig und die Gruppe kooperiert mit dem CCCC (Charité Comprehensive Cancer Centre). Herr Minhöfer hat unmittelbar nach der Diagnose begonnen, sich intensiv mit der Erkrankung zu beschäftigen und 2009 nach der klinischen Behandlung eine Art Tagebuch geschrieben, in dem er auch viel Fachliches aus Patientensicht aufgeschrieben hat. Er ist ein echter Experte in eigener Sache und teilt sein Wissen gerne mit anderen Betroffenen.
„Ein Drittel der Gruppe hat kein Internet, deshalb war die Pandemie für uns eine besondere Herausforderung. Während andere Gruppen relativ einfach oder mit ein wenig Unterstützung der Kontaktstellen ihre Treffen per Videokonferenz organisieren konnten, habe ich sehr viel telefoniert. Und die Rundbriefe, die ich 4-6 mal im Jahr versende, schicke ich nicht nur via Email, sondern auch mit der guten alten Briefpost“, berichtet Herr Minhöfer. Mit seiner Neuköllner Gruppe ist er auch beim Bundesverband Myelom Deutschland verzeichnet. „Leider ist der Verband in Liquidation. Wie in vielen Gruppen und Organisationen der Selbsthilfe hängt vieles vom Engagement einiger weniger Personen ab. Wenn besonders Aktive nicht mehr weiter machen, gibt es schnell Probleme.“

„Ich finde es großartig, dass in der Selbsthilfe Menschen die Idee und den Antrieb haben, etwas für sich und andere zu tun um die eigene Situation selbst zu verbessern“. Svenja Schellenberg war Lehrerin, hat anschließend in der Beratung von Langzeitarbeitslosen gearbeitet und nun in der Selbsthilfekontaktstelle eine neue Herausforderung gefunden. Ihre Kollegin Nicole Franke kümmert sich seit Oktober im Rahmen eines 450 Euro-Jobs vor allem um Öffentlichkeitsarbeit des Selbsthilfe- und Stadtteilzentrums Neukölln-Süd, vorher hatte sie sich bereits ehrenamtlich engagiert. Sie ist wahrscheinlich die einzige Mitarbeiterin in einem Selbsthilfe- und Stadtteilzentrum in Berlin, die im Rollstuhl sitzt. Beide Standorte des Selbsthilfezentrums in Neukölln sind barrierefrei. Während sich im Süden, in der Gropiusstadt, überwiegend Gruppen zu verschiedenen chronischen Erkrankungen (Diabetes, Rheuma, Osteoporose, nach Schlaganfall) treffen, haben sich im Norden Gruppen zu psychischen Erkrankungen und Sucht gegründet. Auch die Junge Selbsthilfe ist hier verortet. Besonderer Schwerpunkt in Neukölln ist natürlich das von der AOK Nordost und der GKV-Gemeinschaftsförderung Selbsthilfe Land Berlin geförderte Projekt Migration und Selbsthilfe-Kompetenzzentrum, welches besonders durch Azra Taterevic und Pervin Tosun über die Grenzen des Bezirks bekannt wurde (die BBZ berichtete 2020 ausführlich darüber). Auf die Frage, was man über die Selbsthilfe in Neukölln unbedingt noch sagen soll, geben Nicole Franke und Svenja Schellenberg eine Antwort:“ Wir sind sehr bunt, so wie der Bezirk.“ In den vergangen zehn Ausgaben wurden jeweils eine bezirkliche Selbsthilfekontaktstelle und eine Gruppe vorgestellt. Wer aufgrund einer Behinderung, chronischer Erkrankung oder psychischer Krise andere Betroffene treffen möchte, sollte die Seite www.sekis-berlin.de besuchen. Auch für Angehörige gibt es Selbsthilfegruppen. Wir werden auch zukünftig regelmäßig über interessante Gruppen, Projekte und Personen berichten, weil wir überzeugt sind: Selbsthilfe wirkt.

Informationen:

Selbsthilfezentrum Neukölln-Nord im Haus der Vielfalt
Wilhelm-Busch-Straße 12, 12043 Berlin | Tel.: 030 681 60 64

Selbsthilfe- und Stadtteilzentrum Neukölln-Süd
Lipschitzallee 80, 12353 Berlin-Neukölln
Tel.: 030 605 66 00| Web: stzneukoelln.de

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