Weihnachten 8.000 Kilometer von Berlin entfernt
Wenn ich auf die Coronazahlen schaue, dann wird mir ganz anders. Ich hoffe, dass sie wieder sinken. Auf den Besuch eines Weihnachtsmarkts hatte ich auch nicht so die Lust, genauso wie auf das Flanieren durch das weihnachtliche Berlin. Deshalb habe ich mich entschlossen Ihnen von einem Weihnachtsfest zu berichten, dass ich vor gut 11 Jahren erlebt habe.
Es waren die heißesten Weihnachten, die ich erlebt habe. Temperaturen über 30 Grad und gut 8000 Kilometer von Berlin entfernt. In Venezuela, einem Land, dass damals noch mit Knirschen und Ächzen funktionierte, heute aber durch eine mehr als korrupte Regierung an den Abgrund gebracht wurde. Leider. Es ist ein wunderschönes Land, mit karibischen Stränden, Wüsten, Hochgebirge, einem riesigen Urwald mit dem höchsten Wasserfall der Welt und einem ganz kleinen Stück Deutschland. Nach 14 Stunden Flug kam ich aus dem eiskalten Berlin in die tropische Wärme und war schon nach kurzer Zeit von der Vielfälligkeit des Landes überwältigt. Ebenso von der Lust und Freude der Venezolaner die Vorweihnachtszeit zu begehen. Die Weihnachtszeit dort wurde damals etwas anders begangen als in Deutschland. Es war eine Mischung aus amerikanischer Weihnachten mit viel Kitsch und gewachsene Traditionen des Landes.
So zu Beispiel kleidet man sich an Weihnachten neu ein, wenn man es sich dann leisten konnte. Heute ist davon keine Rede mehr. Denn da steht der tägliche Kampf ums Überleben an erster Stelle. Zu den festen vorweihnachtlichen Familientraditionen gehört das Zubereiten der Hallacas. Das sind herzhafte mit Fleisch und Kapern gefüllte Maistaschen. Sie werden in Bananenblätter eingewickelt, gekocht und eingefroren. Jede Familie hat ihr ganz eigenes Rezept und bei jeden Besuch bekommt der Gast eine Hallacas vorgesetzt. Die sind sehr lecker und machen mehr als satt. Eine andere weihnachtliche Tradition zumindest in der Umgebung von Caracas, Valencia und Maracay – dort wo für 6 Wochen mein Zuhause war – ist der Besuch „eines kleinen Stück Deutschlands“ in Venezuela – die „Colonia Tovar“.
Wenn Sie diese Stadt besuchen, denken Sie, zumindest als Deutscher, Sie sind im falschen Film. Gerade war noch tropische Wärme, dann fährt man einen Regenwald hinauf auf gut 2000 Meter und durchquert auf dem Gipfel eine dicke Nebelwand. Wenn Sie dann wieder ins Tal fahren, fühlen Sie sich wie in einem Märchen. Überall sehen Sie Fachwerkhäuser, wie Sie diese aus Deutschland kennen. Die Hotels und Geschäfte tragen deutsche Namen und das Essen ist deutsch nach venezolanischer Art. Damals sahen die Häuser sehr gepflegt aus. Ich als Deutscher war geplättet, fühlte mich etwas zu Hause. Heute ist die „Colonia“ vom Militär besetzt und es schaut nicht mehr so schön aus wie damals.
Die „Colonia Tovar“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Deutschen Aussiedlern gegründet. Diese haben hier, wo es im Dezember angenehm temperiert für mich war, im Laufe der Jahre ein Stück alte Heimat geschaffen. Besonders schön ist die Kirche am Marktplatz der Stadt, die brachte mich richtig in weihnachtliche Stimmung. In diesem Gotteshaus habe ich den einzigen richtigen klassischen Adventskranz in Venezuela gesehen.Am „Heiligen Abend“ habe ich mich auf Wunsch meiner Gastgeber an den Herd gestellt und deutsches Weihnachtsessen gekocht. Pute, Rotkohl und Klöße mit einer gehaltvollen Soße. Nach dem Essen war nur noch die Karkasse der riesigen Pute übrig. Es waren perfekte „deutsche Weihnachten“, mit einem wunderschön geschmückten unechten Weihnachtsbaum, großen Kinderaugen und einer Außentemperatur von 32 Grad.
Einen Wunsch habe ich aber noch: Lassen Sie sich unbedingt impfen und boostern! Denn ich würde gerne mit Ihnen gesund wieder durch Berlin flanieren.
Eine Anmerkung zur Lage in Venezuela:
Wegen der Pandemie und dem Flüchtlingsdrama hier in Europa ist die katastrophale Lage in diesem Land nicht in unserem Blick. Aber was dort sich abspielt, ist dramatisch. Die Menschen brauchen jede Hilfe, die sie bekommen können – humanitär und medizinisch. Helfen Sie bitte auch dort, nicht nur zu Weihnachten.