Interview: Vom Vorsitzenden zum Vorstandsvorsitzenden

Dominik Peter ist 57 Jahre, von Beruf Journalist und war von 2013 bis Juni 2022 Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands. Am 24. Mai ist Dominik Peter zum Vorstandsvorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Landesverband Berlin mit 95 Prozent der Stimmen gewählt worden. Der Paritätische ist ein Dachverband mit über 800 Mitgliedsorganisationen. Mit Dominik Peter sprach Jasper Dombrowski.

Dombrowski: Gibt es Meilensteine des BBV, die herausgestellt werden sollten?

Peter: Ja, da fallen mir einige ein. Die Berliner Behindertenzeitung, deren Herausgeber der Berliner Behindertenverband ist, erscheint seit nunmehr 33 Jahren und die grundsoliden Finanzen und der Aufbau von sozialversicherungspflichtigen Stellen beim Verein. Als ich anfing, gab es keine Angestellten. Noch nicht einmal ein 450 Euro Job. Jetzt hat der BBV sieben Mitarbeiter – alle schwerstbehindert oder chronisch krank. Auch politisch haben wir einiges erreicht und bei einigen Gesetzen Verbesserungen durchgesetzt. Schlussendlich möchte ich auch noch auf die vielen Veranstaltungen hinweisen, die wir jedes Jahr ehrenamtlich organisieren. Der Protesttag am 5. Mai mit seiner Demo ist ja nur eine Veranstaltung unter vielen.

Dombrowski: Wie wichtig ist die Berliner Behindertenzeitung?

Peter: Für mich und den Berliner Behindertenverband ist sie sehr wichtig. Damit informieren wir ja nicht nur behinderte Menschen und unsere Vereinsmitglieder sondern auch den politischen Raum – also Politiker, andere Vereine und die Verwaltung. 

Dombrowski: Denkst du, es wird den BBV und die BBZ noch lange geben?

Peter: Ich hoffe ja, denn die Stadt braucht einen kritischen und politischen Verein wie den Berliner Behindertenverband. Die Themen, die uns am Meisten bewegen, werden ja von der Politik nur zögerlich angegangen. Sie verwalten nur den Misstand und verkaufen uns kleinere Änderungen als den großen Wurf. Es werden Papiere über Papiere vollgeschrieben, doch sie haben zu wenig positiven Einfluss auf die Wirklichkeit behinderter Menschen. Es gibt immer noch viel zu viele Ausnahmen in Gesetzen. 

Seit 50 Jahren setzen sich Protagonisten für Barrierefreiheit ein und wo stehen wir? Der Denkmalschutz, die Wohnungsbaugesellschaften und andere Akteure verhindern seit Jahrzehnten den Fortschritt. Anders ausgedrückt: sie verhindern schlicht und einfach Menschenrechte und menschenwürdige Umstände. Gerade erst kümmerte sich der Verein um einen behinderten Angestellten an einer Berliner Uni, der obdachlos wurde. Warum? Weil es keinen bezahlbaren barrierefreien Wohnraum für ihn gab.

Dombrowski: Du setzt dich sehr dafür ein, behinderte Menschen oder Menschen mit chronischer Krankheit einen Job beim BBV zu geben. Du hast beispielsweise mir die Möglichkeit gegeben, die Grafik der BBZ zu verantworten. Andere Verein ticken hier anders.

Peter: Kurze Antwort: weil es ja in unserer BBV-Satzung steht. Ich zitiere: „Zweck des Verbandes ist auch ein arbeitsmarktorientiertes Beschäftigungsangebot für behinderte und nichtbehinderte Menschen unter Verwendung öffentlicher Fördermittel mit dem Ziel der Integration ins Arbeitsleben“. Ich hielt mich also schlicht und einfach an unsere Satzung.

Dombrowski: Der BBV organisiert viele Veranstaltungen. Immer auch mit anderen Vereinen als Partner. Wieso ist das so?

Peter: Ich bin ein absoluter Teamspieler und ich denke immer über den eigenen Tellerrand hinaus. Andere Vereine vertreten andere Interressensgruppen, doch nur gemeinsam sind wir stark. Ausserdem macht es Spaß, sich zu vernetzen. Ich habe in den letzten 10 Jahren dadurch tolle Menschen kennen gelernt und durfte auch viel dazu lernen. Ich kann dem BBV und anderen Vereinen nur raten, sich noch stärker zu vernetzen. Ansonsten spielen uns die Parteien oder die Verwaltung doch nur gegeneinander aus.

Dombrowski: Du bist jetzt Vorstandsvorsitzender der Parität. Was bewog Dich dazu, für diese Position zu kandidieren?

Peter: Zunächst zierte ich mich ein Jahr lang, als mich Kollegen zur Kandidatur aufforderten. Ich hatte eine ganz andere Lebensplanung vor Augen gehabt. Allerdings erkannte ich natürlich auch die Chance, die mir der Paritätische Wohlfahrtsverband bietet, um „Berlin ein bisschen besser zu machen“. Was nunmehr mein Slogan ist. Zudem fühlte ich mich die letzten 10 Jahre – so lange gehöre ich dem Vorstand bei der Parität schon an – dort immer verdammt wohl. Werte wie Toleranz, Vielfalt und Offenheit sind bei der Parität keine Sprachhülsen sondern sie werden in diesem Verband wirklich gelebt. Ich gehöre ja zu einer Minderheit, bin schwul, lebe seit über 30 Jahren mit einem Mann zusammen und bin zudem auch noch behindert. Doch dies war bei der Parität nie
ein Thema sondern ich wurde von allen herzlich aufgenommen. Dafür bin ich auch dankbar.

Dombrowski:  Vielen Dank für das nette Interview.
Ich hoffe, dass wir noch viel von Dir hören werden. Alles Gute dir.

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