Mein erster Schritt zu mehr Selbstbestimmung

Das Wetter ist wechselhaft wie meine Stimmung an diesem Freitagnachmittag Ende Mai, als ich von meiner Wohnung am Berliner Stadtrand in den pulsierenden Wedding aufbreche: kurze, heftige Regenschauer mit Sonnenschein, dazwischen starker Wind. Lieber eine Jacke anziehen oder nicht? Ich bin nervös und ängstlich, dann wieder voller Vorfreude auf das, was mich erwartet. Vor lauter Aufregung fange ich an zu schwitzen. Also keine Jacke.

Mein Ziel sind die Räume der KOPF, HAND UND FUSS gGmbH auf dem ehemaligen OSRAM-Werksgelände in der Oudenarder Str. 16. Hier werden verschiedene Projekte mit Inklusionsschwerpunkt realisiert, es  gibt barrierefreie Co-Working-Spaces, wo Menschen mit und ohne Behinderung problemlos zusammenarbeiten und man findet ein umfassendes Beratungsangebot zu behinderungsspezifischen Themen. Das möchte ich heute nutzen. Ich habe einen Termin für eine individuelle Systemische Beratung bei einer vielseitig weitergebildeten Sozialarbeiterin gebucht. Saskia Claß, die mich in den nächsten 60 Minuten kostenpflichtig beraten wird, ist – wie ich – in den Dreißigern und von Geburt an körperbehindert. Wie ich nutzt sie zur Fortbewegung einen Elektrorollstuhl und wie ich ist sie im Alltag auf Unterstützung angewiesen. 

Darüber, welche Schwierigkeiten diese Lebenssituation mit sich bringt und wie ich mit diesen Schwierigkeiten besser zurechtkommen kann, möchte ich heute mit ihr reden.Wird sie mich, meine Sorgen und Nöte verstehen? Werden wir einen Draht zueinander finden? Aus Erfahrung weiß ich, dass ähnliche Lebensumstände und eine gemeinsame Behinderung nicht immer ein Garant für eine gleiche Wellenlänge sind. Und wenn ich daran denke, wie schwierig es war, ein passendes Beratungsangebot zu finden und dass ich diese mühsame Suche möglicherweise bald noch einmal von vorn beginnen muss, weil es zwischen uns einfach nicht funkt, wird mir ganz anders. Ich schwitze schon wieder.

„Komm rein! Schön, dass du da bist!“, sagt Saskia, wie ich sie dankenswerterweise nennen darf, zur Begrüßung. Ihr Arbeitsraum ist hell und freundlich, aber spartanisch eingerichtet. Doch auf dem Tisch, an dem wir einander kurz darauf gegenübersitzen, steht ein üppiger bunter Frühlingsblumenstrauß. Er versprüht denselben fröhlichen, lebensbejahenden Charme wie meine Beraterin. Ich fühle mich sofort wohl und habe den Eindruck, ihr alles erzählen zu können: Von dem Assistenten, der immer „Schatz“ zu mir sagt, obwohl ich das nicht mag und von der Assistentin, der ich jedes Mal wieder gut zureden muss, wenn wir versuchen, ein paar Schritte miteinander zu gehen.

„Verkehrte Welt“, meint Saskia. „Schließlich ist sie dazu da, dich zu unterstützen und nicht umgekehrt.“ Bingo! Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt. Außerdem ist der häufige Personalwechsel und der ständige Personalmangel meines Pflegedienstes ein Thema, das ich anschneide. Beides belastet mich schon seit Längerem. „Oh, da weiß ich was!“, meint Saskia. „Raus aus den einengenden Strukturen deines Pflegedienstes, rein ins persönliche Budget.“ Ich bin skeptisch. „Und wie soll das funktionieren?“ 

„Vertrau mir, es ist viel weniger aufwendig, als es auf den ersten Blick scheint. Ich habe diesen Schritt auch schon hinter mir und bereue ihn keine Sekunde. Dein Vorteil ist, dass du ihn nicht alleine gehen musst.“ „Wie meinst du das?“, möchte ich wissen.

„Ich kann dir in diesem Prozess beratend und begleitend zur Seite stehen, wenn du willst.“ Und dann sage  ich ganz spontan und mühelos die berühmten drei Worte, die Menschen vor dem Traualtar sagen und fühle mich als Teil von etwas Großem: „Ja, ich will!“
Meine Zukunft hat begonnen. Ich bin bereit für alles, was kommt, denn ich weiß, ich bin nicht allein. Was für eine Erleichterung! 

Infos und Preise zum Beratungsangebot von Saskia Claß gibt es auf https://www.saskiaclass.de/

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