Kampagne „Wichtiger als du denkst“

Dominik Peter ist seit Mai 2022 Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Landesverband Berlin. Anlässlich einer neuen Kampagne sprach Jasper Dombrowski mit ihm.

BBZ: Um was geht es bei der Kampagne?

Dominik Peter: Wir als Verband haben gemeinsam mit der Diakonie, der Caritas, der AWO und der Jüdischen Gemeinde eine Social Media Kampagne auf Twitter, Facebook, Instagram und YouTube gestartet. Sie heißt „Wichtiger als du denkst“ und macht deutlich, wie unersetzlich Freie Träger für ein soziales Berlin sind. Mit dieser Kampagne protestieren wir gemeinsam mit den anderen Verbänden gegen die geplanten Kürzungen im Haushalt 24/25.

BBZ: Was ist das Ziel der Kampagne?

Dominik Peter: In den Verhandlungsmonaten zum Berliner Haushalt wird die Politik auf sämtlichen Kanälen daran erinnert: Die vorgesehenen Kürzungen sozialer Hilfen durch die freien Träger müssen jetzt verhindert werden, denn ohne uns gibt es kein soziales Berlin.

BBZ: Wen repräsentieren die Organisationen, die diese Kampagne tragen?

Dominik Peter: Die oben genannten Organisationen bilden gemeinsam die sogenannte LIGA Berlin. Es ist also ein Bündnis der Wohlfahrtspflege.

Wir repräsentieren über 107.000 Angestellte und 53.000 Ehrenamtliche in Berlin. Rund 1.200 Initiativen und Träger werden durch uns vertreten. 

Im Detail bedeutet es: wir decken beispielsweise 100 Prozent der Angebote von Plätzen für Wohnungslose oder Schuldnerberatungsstellen ab. Hinzu kommt, dass wir 100 Prozent der Wohnangebote für Menschen mit Beeinträchtigung oder Werkstättenplätze anbieten. Was kaum einem bewusst ist: wir decken sogar 60 Prozent aller Klinikbetten in Berlin ab. 

Anders ausgedrückt: 70 Prozent der sozialen Angebote werden durch die beteiligten Verbände abgedeckt. Ich könnte die Liste beeindruckender Zahlen beliebig fortsetzen. 

BBZ: Kannst Du mal Fakten nennen, um was es Euch genau geht?

Dominik Peter: Ja, klar doch. Der vorgelegte Haushaltsentwurf hätte die Wirkung eines sehr restriktiven Sparhaushalts auf den sozialen Bereich in der Stadt – sollte er so wirklich verabschiedet werden. Er gefährdet sehr wichtige soziale Angebote oder streicht sie zusammen. Die vorgesehene Steigerung in Höhe von 2,5 Prozent und 3,8 Prozent deckt bei weitem noch nicht einmal die immer noch hohe Inflationsrate ab.

Ferner fehlt Geld für Verwaltung und Overheadkosten, sowie für Mieten, Material und Energie. Nach unseren Berechnungen werden bis zu
80% der krisenbedingten Kostensteigerungen durch diesen Haushalt schlichtweg ignoriert. Dies ist nicht vertretbar.

BBZ: Gibt es erste Reaktionen aus der Politik und den Verwaltungen?

Dominik Peter: Ja, die Verbände sind ja tagtäglich mit Verantwortlichen im konstruktiven Gespräch und die Haushaltsverhandlungen laufen ja noch. Ausserdem hat auch die öffentliche Berichterstattung bereits die Sozialpolitiker aufgeschreckt und es wurden Nachbesserungen angekündigt. Es bleibt also abzuwarten, was am Ende im Haushaltsplan berücksichtigt wird. 

BBZ: Wir drücken Euch die Daumen mit Eurer Kampagne.

Dominik Peter: Danke. Allerdings ist es ein erschreckendes Jahr, denn auch der Bundeshaushalt, der derzeit diskutiert wird, sieht Kürzungen im Sozialbereich vor. Deshalb mahnt der Paritätische Bundesverband, den Kahlschlag im Sozialbereich zu stoppen. Auch hier laufen jetzt
die Verhandlungen, die bis zum 1. Dezember gehen können. Dann soll der Haushalt stehen. 

BBZ: Was bedeutet dies für das Land Berlin?

Dominik Peter: Sehr gute Frage. Im allgemeinen hat es auch Auswirkungen auf die Einnahmesituation von Berlin. Verschärfend kommt noch hinzu, dass auch Ausfälle drohen, insbesondere bei den Gewerbesteuern, die das von Bundesfinanzminister Lindner vorgelegte Wachstumschancengesetz bewirken würde. 

Sollte dies eintreten, müssten die Bundesländer weitere Sparmaßnahmen vornehmen. Was sehr, sehr bitter wäre. Viele Angebot müssten dann heruntergefahren oder gar eingestellt werden. 

BBZ: Dominik, besten Dank für das Interview.

Die Freien Träger stellen die soziale Versorgung sicher – im staatlichen Auftrag. Nicht in einer Behördenstruktur, nicht gewinnorientiert – sondern ausschließlich ihren Werten verpflichtet. Ein zivilgesellschaftliches, weltweit einzigartiges System, das seit über 100 Jahren sehr gut funktioniert. 

Sie entwickeln Konzepte für soziale Strukturen, sie organisieren mit zehntausenden Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen konkrete Hilfen. Sie machen sich stark für die Schwächeren in der Gesellschaft, erklären den politischen Entscheidern mit Expertise und Erfahrung, wo Unterstützung gebraucht wird.

 

Was sind „Freie Träger“?

Seit über hundert Jahren heißt es in Deutschland: Wer sich mit sozialer Versorgung am Besten auskennt, der soll sie übernehmen. Das Ganze heißt „Subsidiaritätsprinzip“ und macht absolut Sinn: Der Staat gibt Aufgaben ab, weil zum Beispiel die Mitglieder des Paritätischen Wohlfahrtsverbands viel Erfahrung in der Betreuung von Kindern oder auch Menschen mit Behinderungen haben, AWO, Caritas und Diakonie sich seit Jahrzehnten u.a. mit Pflege und Jugendhilfe beschäftigt oder auch mit der Unterbringung Geflüchteter. Dafür bezahlt das Land Berlin. 

Eigentlich ein fairer Deal für alle: Das Land beauftragt Expertinnen und Experten mit den wichtigsten Jobs Berlins. Und spart sogar, weil die sozialen Einrichtungen in Wirtschaftsfragen topfit sind. Das Yin und Yang des sozialen Berlins sozusagen.

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