Zeit für inklusive Wahlen

Angesichts der vorzeitigen Beendigung der Koalition aus der SPD, den Grünen und der FDP im Bundestag, steht am 23. Februar 2025 eine vorgezogene Bundestagswahl an. Wählen zu gehen ist ein wichtiges Grundrecht. Wie vor jeder Wahl fragt sich die Behindertenszene, wie es mit der Barrierefreiheit der Wahllokale steht. Ein guter Anlass für die BBZ-Redaktion den Fokus auf die Berliner Wahllokale bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 zu richten.

Damals waren es zwar 478 Wahllokale mehr als sonst, allerdings waren viele nicht barrierefrei. 400 von 2.257 Wahllokalen in Berlin waren nicht barrierefrei, so das ernüchterne Ergebnis einer BBZ-Recherche. Aufgerundet gab es gerade mal 18 Prozent barrierefreie Wahllokale in Berlin.

Es sind allerdings nicht immer Stufen oder andere bauliche Barrieren, die Menschen mit einer Behinderung von einer Stimmabgabe im Wahllokal abhalten – es sind auch fehlende Hilfspersonen und Hifsmittel. So gibt es für blinde und seheingeschränkte Menschen Schablonen mit Braille-Schrift. Meist müssen die benötigten Schablonen selbst organisiert und mitgebracht werden. Zum anderen ist nach Angaben der Nutzenden das Wählen sehr zeitaufwendig und fehleranfällig.

Mitglieder des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin bekommen die Wahlschablonen zugeschickt.Bei den Stimmzetteln ist immer die obere rechte Ecke abgeschnitten, damit blinde Menschen wissen, welches die Vorderseite ist. Die Schablonen müssen richtig liegen und das n der Hoffnung, dass die Wahl nicht aus irgendeinem Grund ungültig ist, weil man versehentlich das Kreuz schief oder falsch macht. Mit dieser Schablone dauert es allerdings in einer Wahlkabine mindestens 20 Minuten dauern. Für viele blinde und seheingeschränkte Menschen  bedeutet es Zeitdruck und Stress bei dem Gedanken daran, dass viele Menschen in der Schlange stehen und warten.

Das Wählen in einen Wahllokal bedeutet auch Stress für Menschen, die auf Hilfe einer Assistenzperson angewiesen sind. Aus den Erfahrungen der Redaktion dürfen eigene Assistenzpersonen nicht mit in die Wahlkabinen und beim „Kreuz machen“ unterstützen. Offizielle Hilfspersonen in Wahllokalen sind eine Seltenheit und wenn sie zur Verfügung stehen, ist die Kommunikation schwierig bis unmöglich, wo das Kreuz hin soll. So ist und bleibt für blinde und seheingeschränkte sowie Menschen mit Assistenzbedarf die Briefwahl noch immer die entspannendsten und sicherste Möglichkeit an demokratischer Mitbestimmung teilzunehmen.

Die Hoffnung ist sehr gering, dass sich diese Schwierigkeiten bis zur vorgezogenen Bundestagswahl lösen werden. Aber vielleicht sehen  der Landeswahlleiter, der Regierende Bürgermeister sowie das Abgeordnetenhaus von Berlin einen Appell darin, inklusive Wahlen des Abgeordnetenhauses im Herbst 2026 in Wahllokalen zu ermöglichen.

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