Aktion Mensch fordert barrierefreien ÖPNV-Ausbau
Die Aktion Mensch begrüßt grundsätzlich die Idee einer Nachfolgeregelung für das im August auslaufende 9-Euro-Ticket. Es ermöglicht kostengünstiges und klimafreundliches Bahnfahren und entlastet vor allem Menschen aus einkommensschwachen Haushalten finanziell.
Doch spontan ausfallende Züge, durch Fahrräder belegte Stellplätze für Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen und versperrte Durchgänge zu barrierefreien Toiletten erschweren Menschen mit Behinderung barrierefreies Reisen und somit auch gesellschaftliche Teilhabe. „Ich sitze im Rollstuhl und bin viel mit dem Zug unterwegs. Es war schon vor dem 9-Euro-Ticket teilweise eine Katastrophe, weil die Rollstuhlstellplätze in den Regionalzügen immer mit Fahrrädern vollgestellt sind. Jetzt ist es noch schlimmer. Leider ist an den Bahnhöfen niemand, der dafür sorgt, dass Menschen mit Rollstühlen oder Rollatoren zuerst in den Zug kommen bzw. Reisende mit Fahrrädern Platz machen müssen“, schildert eine Frau ihre aktuellen Erfahrungen im ÖPNV.
„Menschen mit Behinderung müssen miteinbezogen werden, wenn eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets geplant wird. Nur so können alle Menschen gleichermaßen von einem günstigen Nahverkehr profitieren“, sagt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Zusätzlich fordern wir, den barrierefreien Ausbau des Nahverkehrs weiter voranzutreiben. Dabei gilt, wenn der Bahnsteig barrierefrei ist, muss es auch der
Ticketautomat sein. Es braucht einerseits mehr Rampen,
Aufzüge und Stellplätze für Rollstuhlfahrer*innen, andererseits aber auch Schulungen des Bahnpersonals im Hinblick auf ganzheitliche Barrierefreiheit.“
Bereits vor der Einführung des 9-Euro-Tickets gaben 26 Prozent der Befragten mit Beeinträchtigung in einer aktuellen Befragung der Aktion Mensch an, häufig auf nicht barrierefreie Bahnhöfe oder Haltestellen bzw. öffentliche Verkehrsmittel zu stoßen. Mehr als ein Drittel der Menschen mit Beeinträchtigung (34 Prozent) traut es sich außerdem nicht zu, selbständig unterwegs zu sein und zu reisen. Unter den Menschen mit einer sichtbaren Beeinträchtigung ist dieses fehlende Vertrauen mit 57 Prozent besonders ausgeprägt. „Der ÖPNV sollte deutschlandweit ab 1. Januar 2022 barrierefrei sein – so sieht es das Personenbeförderungsgesetz vor. Es gibt Fortschritte, aber bisher hat noch keine Kommune dieses Ziel erreicht. Die aktuelle Situation zeigt, dass Barrierefreiheit nicht auf die lange Bank geschoben werden darf“, so Christina Marx.
Faktencheck
Wie sieht es mit dem barrierefreien ÖPNV in Berlin aus? Hierzu einige Fakten (Quelle BVG).
BVG U-Bahnhöfe: 78 % der 175 U-Bahnhöfe in Berlin sind stufenlos zu erreichen, 73 % haben ein Blindenleitsystem.
BVG-Haltestellen: Von 803 Straßenbahnhaltestellen in Berlin sind mehr als 530 barrierefrei. Eine barrierefreie Bushaltestelle ist mindestens 16 cm hoch und hat ein Blindenleitsystem. Noch sind nicht alle der fast 6500 Bushaltestellen in Berlin barrierefrei. Aber: Alle Busse verfügen über eine Rampe, so dass Rollstuhlfahrerende einsteigen können. Seit 2020 testen wir eine Bushaltestelle, die 22 cm hoch ist. Hier ist keine Rampe mehr erforderlich.
Fahrzeuge: Alle neueren U-Bahnwagen sind ebenerdig zugänglich. Das sind derzeit jedoch nur 40 %. Alle älteren Wagen können über eine Rampe erreicht werden. Alle Straßenbahnen sind barrierefrei (sie haben Rampen). Ältere Fahrzeuge mit Stufen kommen nur noch zum Einsatz, wenn besonders viel los ist. Seit 2009 sind alle Busse barrierefrei. Alle motorisierten Fähren sind ebenfalls barrierefrei.