Die BBZ spricht mit Cansel Kiziltepe über die Persönliche Assistenz
In den letzten Ausgaben der Berliner Behindertenzeitung gab es kritische Berichte darüber, dass der Tarifvertrag im Arbeitgeber*innen – Modell noch nicht ausreichend finanziert wird. Damit die Senatsverwaltung und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe darauf reagieren können, hat die Berliner Behindertenzeitung ein exklusives Interview mit ihr geführt.
Bereits seit Februar 2025 verdienen Persönliche Assistenzen im Arbeitgeber*innen – Modell monatlich rund 340 Euro weniger als Kolleg*innen bei Assistenzdiensten. Ab 2026 wird sich dieser Lohnunterschied noch mal vergrößern, weil der Senat dann nur noch die Entgeltgruppe drei anstatt fünf zahlt. Das nachfoIgende ungekürzte Interview führte Jasper Dombrowski.
BBZ: Warum verdienen Assistenzen im Arbeitgeber*innen – Modell zurzeit rund 340 Euro weniger als bei Assistenzdiensten?
Cansel Kiziltepe: Für uns ist diese Berechnungsgrundlage nicht nachvollziehbar, wir können diese Frage leider nicht beantworten. Die Assistenzdienste zahlen nach unterschiedlichen Tarifverträge und die Mitarbeitenden erhalten infolgedessen unterschiedlich hohe Entlohnungen. Die Höhe des jeweils realen Verdienstes richtet sich sehr individuell nach diversen Komponenten (z.B. Anzahl der geleisteten Stunden, Erfahrungsstufe gemäß TV L; geleistete Diensten an Wochenenden, in der Nacht, an Feiertagen).
BBZ: Es waren bereits sechs Millionen für Nachzahlungen und eine Inflationsprämie bereitgestellt. Diese sechs Millionen wurden dann allerdings umgewidmet. Wieso und an welchen Bereichen?
Cansel Kiziltepe: Der für den Doppelhaushalt 24/25 für den Bereich der Persönliche Assistenz im Arbeitgebermodell kalkulierte Kostenansatz wurde im Jahr 2024 nicht vollständig ausgeschöpft. Die in dem besagten Haushaltstitel eingestellten Ressourcen wurden im Gegensatz dazu insgesamt aufgebraucht. Dies führte zu der Aufteilung der hier in Rede stehenden Haushaltsmittel.
Cansel Kiziltepe: Eine Inflationsprämie ist diesen Fällen rechtlich nicht vorgesehen. Im Leistungsbereich der Persönlichen Assistenz als Geldleistung über ein Persönliches Budget im Arbeitgebermodell gelten die rechtlichen Rahmenbedingungen der § 105 SGB IX und § 29 SGB IX.
Im Bereich der Geldleistungen in Form von Persönlichen Budgets werden im Land Berlin keine Inflationsausgleichsprämien gezahlt. Eine Gewährung dieser Prämie im Arbeitgebermodell für die Komplexleistung Persönliche Assistenz würde folglich eine Ungleichbehandlung zu anderen Leistungen im Persönlichen Budget bedeuten.
BBZ: Die Weiterfinanzierung des Arbeitgeber*innen – Modells mit der Assistenzbezahlung in der Entgeltgruppe fünf würde dem Land Berlin rund zwölf Millionen pro Jahr Ersparnis bringen. Warum tun Sie sich trotzdem so schwer?
Wenn die 150 Menschen mit Behinderung und ihre 1.000 Assistenzen aus dem Arbeitgeber*innen – Modell zu Diensten ab 2026 wechseln würden, kostet es das dem Land Berlin viel mehr. Die Dienste haben außerdem keine Plätze. Ist Ihnen das bekannt?
Cansel Kiziltepe: Das Land Berlin ist an das Haushaltsrecht gebunden und gleichzeitig verpflichtet, die angemessenen Kosten zur Ausgestaltung eines Persönlichen Budgets zu tragen. Daraus ergeben sich die geltenden und bindenden Regelungen. Dies umfasst auch die Unterscheidung zwischen Geld- und Sachleistungen: Die Komplexleistung Persönliche Assistenz kann als Sachleistung durch einen Assistenzdienst im Dienstleistungsmodell oder als Geldleistung in Form des Persönliches Budget im Arbeitgeber:innenmodell bewilligt werden.
Für den Bereich der Persönlichen Assistenz im Arbeitgeber*innenmodell gilt – wie für alle Geldleistungen im Sozialrecht -, dass die Sachleistungsgrundsätze der (bundesgesetzlichen) Verpflichtung, Tarifverträge als stets wirtschaftlich anzuerkennen, nicht anwendbar sind.
Stattdessen gilt der Vorbehaltsgrundsatz des Haushaltsgesetzgebers, der die Höhe der erforderlichen Mittel beschließt. Der Träger der Eingliederungshilfe ist zudem nur im Bereich der Sachleistung befugt, Rahmenverträge abzuschließen (§§ 123 ff. SGB IX).
Im Bereich der Geldleistung besteht keine rechtliche Möglichkeit zum Abschluss entsprechender Verträge. Diese Unterscheidung hat die verschiedenen Finanzierungsmodelle und dementsprechend auch die verschiedenen Berechnungsgrundlagen zwingend zur Folge.
BBZ: Bis wann ist mit einer Entscheidung für Selbstbestimmung und Teilhabe zu rechnen? Die Zeit drängt.
Cansel Kiziltepe: Die Senatssozialverwaltung steht aktuell im engen Austausch mit der Senatsfinanzverwaltung. Zudem wurde die Thematik in die Arbeit des ressortübergreifenden Gremiums „effiziente Sozialausgabensteuerung“ eingebracht, um zu wirtschaftlichen Lösungen zu gelangen. Wir wissen, dass es dringend ist. Es bleibt jedoch der Haushaltsvorbehaltsgrundsatz bestehen, der besagt, dass Mehrkosten durch höhere als die rechtliche vorgesehene Leistung durch den Haushaltsgesetzgeber beschlossen werden müssen.
BBZ: Vielen Dank für Ihre Zeit. Wir hoffen wirklich sehr, dass es zeitnah eine zufriedenstellende Lösung für alle gibt.