Interview mit Senatorin: Corona trifft Sonderfahrdienst hart

Einbrüche bei den Fahrtwünschen von bis zu 90 Prozent trafen die Betreiber des Sonderfahrtdienstes hart. Über die Misere sprach Dominik Peter mit der Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke).

BBZ: Frau Senatorin Breitenbach, wieso wurde eine Pressemeldung zum Sonderfahrdienst wieder einkassiert, denn diese wurde auf dem entsprechenden Portal entfernt? In der Pressemeldung ging es unter anderem um die Fuhrbetriebe des Sonderfahrdienstes?

Elke Breitenbach: Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten, weil die Veröffentlichung nicht durch uns verantwortet wurde. Fakt ist, dass es passiert ist und dass es ärgerlich ist.

BBZ: In der Pressemitteilung wurde folgendes angekündigt: „Die Änderung der Verordnung sieht für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020 vor, dass der Betreiber sowie die für den Sonderfahrdienst tätigen Fuhrbetriebe Zuschüsse erhalten in Anlehnung an das Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit einem Sicherstellungsauftrag (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz – SodEG). Das SodEG ist Teil des Sozialschutz-Paketes, welches auf Bundesebene beschlossen wurde“. Es gibt Stimmen, die der Meinung sind, dass der Betreiber des Sonderfahrdienstes, also die WBT eG, als sozialen Dienstleister im Sinne des SodEG ist, genauso, wie in der Pressemitteilung dargestellt. Daher die Frage, ist der Sonderfahrdienst nun Teil des SodEG?

Elke Breitenbach: Das SodEG gilt ausschließlich für bestimmte Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch bzw. für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ferner gilt es ausschließlich für soziale Dienstleister im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuches bzw. des Aufenthaltsgesetzes. Eine unmittelbare Anwendung des Gesetzes für den bundesweit einmaligen Sonderfahrdienst in Berlin ist rechtlich ausgeschlossen. Warum ist das so? Rechtsgrundlage für den Sonderfahrdienst ist eben das Landesgleichberechtigungsgesetz und nicht das Sozialgesetzbuch oder das Aufenthaltsgesetz. Und Auftraggeber ist auch kein Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sondern die für Soziales zuständige Senatsverwaltung. Deshalb war es unser Anliegen, mit der Senatsvorlage über eine Änderung der Sonderfahrdienst-Verordnung das SodEG zumindest sinngemäß anzuwenden, weil wir Parallelen zu den sozialen Dienstleistern erkennen. 

BBZ: Es war auch die Rede davon, dass die Berechtigten den Sonderfahrdienst für andere Gelegenheiten nutzen dürfen. Etwa für Fahrten zum Einkaufen oder für Arztfahrten. Was geht derzeit, was geht nicht?

Elke Breitenbach: Hier haben wir in der Tat eine Anregung des Betreibers des Sonderfahrdienstes aufgegriffen. Der Sonderfahrdienst führt nach den rechtlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – sogenannte Freizeitfahrten – durch. Diese Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, und das haben wir alle wahrgenommen, hat sich pandemiebedingt verändert. Von daher kann der Betreiber des Fahrdienstes jetzt auch Fahrten zur Erledigung haushaltsnaher Dienstleistungen, wie z.B. Lebensmitteleinkäufe oder Apothekenfahrten abrechnen. Es handelt sich dabei weiterhin um Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Von dieser Regelung profitieren somit der Fahrdienst selbst und die Nutzugsberechtigten gleichermaßen. Diese Regelung galt vorerst bis Ende Juni und kann im Einvernehmen mit der Finanzverwaltung verlängert werden, wenn erforderlich. 

Von der Regelung ausdrücklich nicht umfasst sind die vertraglich bereits ausgeschlossenen Kostenträgerfahrten, also solche Fahrten, die durch einen Rehabilitationsträger erstattet werden. Dazu gehören z.B. Fahrten zu Ärzten, Krankentransporte oder zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Neben dem Sonderfahrdienst gibt es etliche Fahrdienste als soziale Dienstleister, die ebenfalls mit der Corona-Krise zu kämpfen haben. Denen wollen wir mit dem Sonderfahrdienst keine Fahrtaufträge wegschnappen. 

BBZ: Die Pandemie setzt wegen ausbleibender Fahrten dem Sonderfahrdienst massiv zu. Die Betreiber schlugen Alarm. Wie möchten Sie sicherstellen, dass es auch langfristig den Fahrdienst noch gibt und dieser nicht komplett kollabiert?

Elke Breitenbach: Der Betreiber des Sonderfahrdienstes ist vertraglich abgesichert und zwar unabhängig von der Anzahl der durchgeführten Fahrten. Insofern sehe ich gegenwärtig für unseren unmittelbaren Vertragspartner keine Gefahr. Gleichwohl bestehen zwischen dem Betreiber des Fahrdienstes als Generalunternehmer und mehreren Fuhrunternehmen vertragliche Beziehungen, die infolge drohender Insolvenz einzelner Fuhrunternehmen durchaus gefährdet sein können. Um den Sonderfahrdienst, so wie wir ihn kennen, in seiner Gesamtheit zu erhalten und auch die beteiligten Fuhrunternehmen zu erhalten, sehe ich einige Maßnahmen als dringend erforderlich an. Dazu gehören erstens die von mir bereits dargelegte pandemiebedingte Erweiterung der Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft inklusive Lebensmitteleinkauf. Zweitens sollen die vom Senat beschlossenen Hilfen insbesondere für den Mittelstand – Stichwort Soforthilfe V – mit möglichen Soforthilfezuschüssen von bis zu 25.000 Euro zur Überwindung einer existenzbedrohenden Lage unterstützen. Und drittens ermöglichen die Lockerungen der vom Senat beschlossenen und immer wieder aktualisierten Eindämmungsmaßnahmenverordnung wieder mehr Fahrten zu Restaurants, Museen, in den Tierpark oder Zoo, sowie in andere Freizeiteinrichtungen und fördern damit eine stärkere Inanspruchnahme des Sonderfahrdienstes.

BBZ: Frau Breitenbach, besten Dank für das Interview.

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