BTHG-Fachforum – Wir wollten Inklusion und bekamen ein neues Amt! 

Selten gab es in Berlin ein Fachforum, dass sich so großer Nachfrage erfreute. Die Rede ist von dem BTHG-Fachtag mit dem Titel „Wir wollten Inklusion und bekamen ein neues Amt! Wie kann Teilhabe gelingen?“. Der Grund für das große Interesse lag auf der Hand, denn die Verwaltung präsentierte öffentlich ihre Ideen, wie das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Berlin umgesetzt werden soll. Die wesentlichen Neuerungen und Ideen trugen Dr. Sibyll Klotz und Ingo Klatt aus der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vor.

Wesentlicher Ansatz des vorgestellten Eckpunktepapiers soll sein: „Der Senat nutzt die Möglichkeiten, die sich mit dem neuen Bundesteilhabegesetz (BTHG) für eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gemeinschaft im Land Berlin ergeben. Aus der konsequenten Umsetzung der verbesserten gesetzlichen Verfahrensregelungen und Leistungsansprüche werden wirksame Fortschritte auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft erwartet“ (Quelle Eckpunktepapier). Um dies zu erreichen, sollen nach Wunsch der Verwaltung folgende Punkte umgesetzt werden.

  1. Schaffung eines Teilhabeamts

Hierzu steht im Eckpunktepapier der Verwaltung: „Die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und ihre Überführung in ein neues Leistungsrecht der Teilhabe für Menschen mit Behinderung erfordert auch die organisatorische Trennung des neuen Trägers der Eingliederungshilfe vom bisher zuständigen Träger der Sozialhilfe, der in Berlin in den bezirklichen Ämtern für Soziales und den Jugendämtern verortet ist. Die Durchführung der Eingliederungshilfe wird in Berlin daher einem neu einzurichtenden Amt für Teilhabe übertragen. 

Die Zuordnung erfolgt auf der bezirklichen Ebene. Dem Rat der Bürgermeister wird vorgeschlagen, vier regionale Teilhabeämter zu schaffen und die Zuständigkeit dort für eine jeweils zusammenhängende Region zu konzentrieren. Die mit den Leistungen der Eingliederungshilfe bei Bedarf gleichzeitig zu leistende Hilfe zur Pflege und die bedarfsweise zu gewährenden existenzsichernden Leistungen werden im Rahmen einer Sonderregelung des AG SGB XII aus einer Hand vom Teilhabeamt mit bearbeitet. Des Weiteren wird die Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX für Kinder und Jugendliche mit geistig/körperlichen Behinderungen und der Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen im Teilhabeamt vorgeschlagen“.

2. Regional leiten – dezentral leisten 

Ferner sieht das Eckpunktepapier vor: „Mit dem BTHG wird die Dimension des „Sozialraums“ erstmals verbindlich in die Planungsvorgaben und das Verfahren für die Eingliederungshilfe aufgenommen. Diesen Kriterien ist beim Aufbau des neuen Amtes Rechnung zu tragen. Als Mindestanforderung wird verbindlich geregelt, dass sich die inneren Zuständigkeiten für die kundenbezogenen Dienstleistungen des Amtes nach den festgelegten Koordinaten der lebensweltlich orientierten Räume im Land Berlin auszurichten hat. Nur der Grundsatzbereich (z.B. Qualitätssicherung, Controlling und Fachstellen für rechtlichen Grundsatz und Widerspruch) und die Fachstelle „Integrierte persönliche Assistenz“ (vormals LK 32), sind im Teilhabeamt zentral zu organisieren und weichen von der raumbezogenen inneren Zuständigkeitsverteilung ab“.

3. Multiprofessionell „wie aus einer Hand“ 

Hier sieht das Eckpunktepapier vor: „Das BTHG schreibt im Fachkräftegebot des § 97 SGB IX für den Träger der Eingliederungshilfe eine multiprofessionelle Personalausstattung vor, die insbesondere die gesetzlich geregelte Erbringung von Teilhabeleistungen – nicht nur der Eingliederungshilfe – „wie aus einer Hand“ absichern soll. Um dies zu gewährleisten, bedarf es der Vorhaltung nicht nur von Dienstkräften mit Verwaltungsabschluss, sondern auch von Kompetenzen insbesondere im sozialpädagogischen, heilpädagogischen oder pflegerischen Bereich. Im bisherigen Zuständigkeitsbereich der Eingliederungshilfe in den bezirklichen Ämtern für Soziales sind fast ausschließlich Dienstkräfte mit Verwaltungsabschluss und einer Basisqualfikation für Fallmanagement tätig. Durch die neuen Anforderungen und Leistungen des BTHG ist ein Personalzuwachs erforderlich. Die Personalausstattung der neuen Teilhabeämter ist daher entsprechend der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfohlenen Bearbeitungsquoten für komplexe Hilfebedarfe gegenüber dem Ist-Stand aufzustocken“. 

Gedanken und Äusserungen zum Eckpunktepapier

Während der Veranstaltung wurden bereits erste Anmerkungen zum Eckpunktepapier geäussert. So sah Birgit Monteiro (Bezirksstadträtin in Lichtenberg, SPD) es gegenüber der BBZ als kritisch an, dass die Bezirke bei der Entwicklung des Eckpunktepapiers nicht vorab einbezogen wurden. Ferner sieht sie bei der realen Umsetzung des Teilhabeamts große planerische Schwierigkeiten. „Selbst wenn sich der Bezirk Lichtenberg für eines der vier regionalen Teilhabeämter interessiere, bleibt offen, wo sich für die Mitarbeiter des Amts Räumlichkeiten finden lassen“, so Monteiro. In ihrem Bezirk gebe es diese schlichtweg nicht so einfach. Große Skepsis machte sich hinsichtlich der Personalaufstockung breit. Doch genau dieser Punkt war auch einer der Gründe, weshalb die Behindertenbewegung das BTHG-Gesetzgebungsverfahren mit Protesten begleitete: Ohne Geld bleiben noch so herhe Wünsche unerfüllt.

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