Gleiche Chancen für alle EUTB-Beratungsstellen
Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (kurz EUTB) ist ein Beratungsangebot für Menschen mit Behinderungen und für Menschen, denen eine Behinderung droht. Als Methode soll Peer-Counseling im Vordergrund stehen, die Beratung von Betroffenen für Betroffene.
Sie arbeitet nach dem Prinzip „Einer für Alle“. Das bedeutet: Die Ratsuchenden können sich mit allen Fragen und Problemen an die EUTB- Berater wenden. Es kommt nicht darauf an, welche Teilhabebeeinträchtigung der / die Betroffenen haben. Dieses kostenlose Beratungsangebot soll Menschen mit Behinderungen oder drohender Behinderung und deren Angehörigen unabhängig über alle Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe informieren und die Selbstbestimmung der Ratsuchenden stärken. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurden die gesetzlichen Grundlagen im § 32 SGB IX dafür geschaffen. Rund 500 EUTB – Beratungsstellen, je nach Einwohnerzahl und auf Fläche der Bundesländer verteilt, erhielten im Verlauf des Jahres 2018 ihre Bewilligung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Gesellschaft für Soziale Unternehmensberatung mgH (kurz: GSUB) mit der Mittelvergabe und Überprüfung der Mittelverwendung beauftragt.
Die Geschäftsführung der ETUB wurde ehrenamtlich tätigen Vereinen der Behindertenhilfe übertragen, da man nicht Verbände der freien Wohlfahrtspflege, als Leistungserbringer mit der Beratung zu den eigenen Angeboten einbeziehen konnte. „Im Bundesland Sachsen-Anhalt stehen hinter allen 16 EUTB Beratungsstellen große Träger, die gleichzeitig Leistungsanbieter sind, wie der Malteser Hilfsdienst, Caritas oder Volkssolidarität“, so Markus Graubner, Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbands Deutschland (ABiD).
Für Martin Schultz von der EUTB des BBV „wäre es fatal, wenn erfolgreiche Beratungsstellen von Selbsthilfegruppen an den Strukturen scheitern, während große Organisationen und Träger mit professionellen Beraterteams auch dieses Feld besetzen, weil sie über die notwendige Infrastruktur und Ressourcen verfügen“. Die Behindertenhilfe in Deutschland ist traditionell an die LIGA der Wohlfahrtsverbände oder ans Ehrenamt gebunden. Die ehrenamtliche Vereinsarbeit und die Spenden der Vereine müssen nun die Geschäftsführung der EUTB stemmen. Vieles muss in „ehrenamtlicher Arbeit“ geleistet werden. Für den Anspruch Menschen mit Behinderungen einzustellen, müssen Anträge bei der Bundesagentur für Arbeit und anderen Behörden gestellt und bei Ablehnung Widersprüche formuliert werden. Eine Erfahrung, die Wirklichkeit abbildet und jeden Arbeitgeber, die Betreiber der EUTB- Stellen sind, außerordentlich belastet.
„Personalkosten werden für die Berater erstattet, Sachkosten für Miete (Nebenkosten) und Weiterbildung, sowie eine Verwaltungskostenpauschale für Computer, Technik, WLAN sowie die Kosten für Buchhaltung durch den Steuerberater. Geschäftsführung als „ehrenamtliche Vereinsarbeit“ muss dies in Tabellen zusammenfügen und überprüfen. Im Ehrenamt, als Dienst an der Allgemeinheit neben einem Beruf, nicht einfach. Der Art. 26 der UN-BRK beschreibt die staatliche Pflicht umfassende Habilitations- und Rehabilitationsprogramme zu organisieren. Ist dies die Aufgabe des Ehrenamts?“, so Christina Fuchs BSK- Rheinland Pfalz.
Sind dies gleiche Chancen für alle EUTB- Beratungsstellen?
Nein und dies ist ein großes Problem!
Es besteht erkennbar ein dauerhafter Bedarf an einer Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung. Das zeigt sowohl die große Zahl an Ratsuchenden, die die EUTB-Stellen aufsuchen, als auch die durchweg positive Resonanz der Ratsuchenden auf das umfängliche Beratungsangebot. Es ist folglich eine hinreichende Finanzierung sicherzustellen, um den mit der EUTB verfolgten Zweck und die damit verbundenen Aufgaben auch tatsächlich im Sinne des Gesetzes erfüllen zu können. Um auch ehrenamtliche Kräfte an der Beratung zu beteiligen, bedarf es zwingend einer Regelung, dass die Kosten für eine entsprechende angemessene Aufwandsentschädigung übernommen werden. Zudem sind diejenigen Kosten zu refinanzieren, die aufgrund einer notwendigen Verwaltung und Koordinierung den Trägern zusätzlich entstehen. Es müssen transparente, nachvollziehbare Kriterien für die Entscheidung einer (Weiter-)Bewilligung der EUTB-Förderung entwickelt und angewendet werden. Das alleinige Abstellen auf Beratungszahlen und Beratungsaufwand erscheint dabei nicht ausreichend; vielmehr muss insoweit auch die inhaltliche Zielrichtung stärker hervorgehoben werden.
Den Betreibern der Beratungsstellen dürfen Kostensteigerungen nicht aufgebürdet werden, die zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar eingepreist wurden, jedoch in ihrer konkreten Höhe, durch Änderungen von Rahmenbedingungen, z.B. Tarifsteigerungen für Angestellte oder Mieterhöhungen entstanden sind. xEs ist zu vermeiden, dass bürokratische Hürden insbesondere solche Organisationen am Betreiben einer EUTB-Stelle hindern, die nur über geringe finanzielle und personelle Ressourcen verfügen. Dies beinhaltet auch den Verzicht auf den bisherigen Eigenanteil des Antragstellers. Zumindest muss es Trägern der originären Selbsthilfe möglich sein, sich in begründeten Fällen hiervon befreien zu lassen. Das Verfahren ist im Übrigen barrierefrei auszugestalten.
Hindernisse abbauen
Die formellen Voraussetzungen sowie die Finanzierungsgrundlagen für das Projekt müssen so gestaltet sein, dass eine praktische Umsetzung und der Aufbau eines EUTB-Angebots auch für ehrenamtlich geführte Selbsthilfeorganisationen ohne unüberwindbare Hindernisse möglich sind. Dazu bedarf es einer konsequenten Entbürokratisierung des Entscheidungs-, Überprüfungs- und Dokumentationsverfahrens. Dabei sind auch ausreichend Mittel für die barrierefreie Ausstattung der Beratungsbüros bereitzustellen. Das gilt zusätzlich für im Einzelfall erforderliche und nicht anderweitig geförderte barrierefreie Arbeitsplatzausstattungen sowie Arbeitsassistenz und Kommunikationshilfen für die Berater*innen. Die GSUB muss erneut Aspekte der Fläche des Einzugsgebiets einer EUTB mit in die Berechnung der Vollzeitäquivalente einfließen lassen, um qualitative und quantitative Ungleichgewichte in der flächendeckenden Beratungsversorgung Betroffener im ländlichen Raum auszugleichen. Den Betreibern von EUTB- Beratungsstellen ist eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit und Selbständigkeit einzuräumen, damit sie sich den individuellen Rahmenbedingungen (Größe der Beratungsstelle, Finanzkraft, interne Organisation, örtliche Lage und Reichweite, Klientel der Ratsuchenden etc.) bestmöglich anpassen können und damit sie verlässlich eine bedarfsorientierte und auf den Einzelfall zugeschnittene Beratung anbieten können. Es müssen Qualitätsstandards in Absprache mit allen EUTB- Betreibern festgeschrieben und verbindlich sichergestellt werden, die einerseits eine an den individuellen Bedürfnissen orientierte Beratung sicherstellt und andererseits den Beratungsstellen Klarheit hinsichtlich der Förderkriterien und damit hinreichende Planungssicherheit verschafft. Um eine qualitativ hochwertige Beratung anbieten und Qualitätsstandards halten zu können, muss die fachliche Unterstützung durch die Fachstelle Teilhabeberatung weiter ausgebaut werden. Die Beratungsstellen müssen organisatorisch und wirtschaftlich unabhängig ausgestaltet sein. Die Beratung erfolgt unabhängig von persönlichen Beziehungen sowie von organisatorischen oder finanziellen Verbindungen, etwa zu Leistungsträgern und Leistungserbringern. Diese Problematik ist bekannt und sie müssen durch das BMAS und die GSUB geprüft und sichergestellt werden. Um Chancengleichheit aller EUTB- Beratungsstellen sicherzustellen, muss das BMAS einen Fördertopf für kleine Vereine aufstellen.