„Das sieht man Dir nicht an!“ – Selbsthilfe bei chronischen Darmerkrankungen
Inmitten der Stadt, in Moabit, liegt die Selbsthilfekontaktstelle des Bezirks Mitte. Die beiden Mitarbeiterinnen Angelika Vahnenbruck und Birgit Sowade sind seit über 20 Jahren DAS Team in der Perleberger Straße und engagieren sich für die Selbsthilfe im Bezirk und darüber hinaus. Projekte wie Migration und Selbsthilfe (seit ca. 2005), Junge Selbsthilfe (seit 2011) oder Flucht & Selbsthilfe (seit 2016) wurden von den beiden maßgeblich mitentwickelt und sind heute aus der Berliner Selbsthilfelandschaft nicht mehr wegzudenken.
„Gerade 2016 waren wir ganz dicht dran, als unweit von hier jeden Tag geflüchtete Menschen beim LaGeSo warteten. Da mussten wir aktiv werden“, beschreibt Birgit Sowade das Jahr, das im Kiez Spuren hinterlassen hat. „Das Projekt Junge Selbsthilfe ist direkt hier bei uns angesiedelt, auch wenn es stadtweit aktiv ist“, ergänzt Angelika Vahnenbruck. Beiden merkt man an, dass sie auch nach so vielen Jahren immer noch für die Selbsthilfe brennen.
Eine von aktuell ca. 50 Gruppen, die sich vor Corona jede Woche in den Räumen von StadtRand trafen, ist die SHG `Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und PSC – Großraum Bauch`, in der es um sogenannte chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) geht. Sonja Arens leitet nicht nur diese Gruppe, sie ist auch Landesbeauftragte der Patientenvereinigung DCCV für Berlin und Brandenburg. Außerdem engagiert sie
sich als Patientenvertreterin im Gemeinsamen Bundesausschuss.
Sonja Arens hat aufgrund ihrer Erkrankung ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 und wurde 1996 vorzeitig berentet, weil sie in ihren gelernten Berufen als Vermessungstechnikerin und Bankkauffrau nicht mehr arbeiten konnte. Die Krankheit ist aufgetreten, als sie 10 Jahre alt war und es folgte eine schwierige Zeit mit Klinikaufenthalten. Trotzdem sagt sie heute:“ Es ist vielleicht leichter, schon als Kind mit dieser Krankheit umgehen zu müssen, als nach der Ausbildung beim Start ins Berufsleben oder während der Familiengründung die Diagnose zu bekommen.“
Ca. 400.000 Menschen sind in Deutschland betroffen und die Verläufe sind sehr unterschiedlich, zumal häufig andere Erkrankungen (der Haut, Gelenke oder Augen) hinzukommen. Die Behandlung erfolgt medikamentös, aber es gibt auch operative Eingriffe.. Entsprechend vielfältig sind die Themen, über die z.B. Ärzte regelmäßig in den Gruppen bzw. beim Verband DCCV referieren. Ein spezielles Problem für viele Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist, sich damit zu beschäftigen, jederzeit eine Toilette aufsuchen zu können. Daher haben viele Betroffene nicht nur den Euro WC Schlüssel in der Tasche, sondern für den Notfall auch ein Kärtchen des Verbands, auf dem Dringlichkeit vermerkt ist, falls mehrere Menschen z.B. bei Veranstaltungen vor einer Toilette warten. Sonja Arens hat sogar eine Parkerleichterung, um z.B. Behindertenparkplätze nutzen zu dürfen.
Einschränkungen und Probleme
Nicht nur einmal musste sie in der Vergangenheit den Satz hören: “Das sieht man Dir nicht an“, wenn sie von der Erkrankung, den Einschränkungen und Problemen berichtet. An chronisch entzündliche Darmerkrankungen denken die wenigsten, wenn es um Behinderung geht. In der EUTB im Berliner Behindertenverband gab es tatsächlich bisher nur einen Klienten mit dieser Thematik. Es ist für viele auch sicher nicht selbstverständlich, darüber zu sprechen, dass man mit plötzlich auftretendem Durchfall zu kämpfen hat und immer Hygieneartikel und eine zweite Unterhose dabei haben sollte. Ein klassisches Tabuthema. Betroffene haben daher mit Sonja Arens und dem Verband DCCV ideale Ansprechpartnerinnen, wenn es um spezifische Fragen geht.
Wer eine Selbsthilfegruppe in Berlin-Mitte sucht, sollte sich an die Damen aus der Perleberger Straße wenden. In den Räumen treffen sich aufgrund der Beschränkungen nicht alle Selbsthilfegruppen , aber sie finden ideale Voraussetzungen, z.B. CO2 Messgeräte oder ein modernes Raummikrofon, dass bei Gruppen, die eine Hybrid-Sitzung organisieren, für eine gute Verständigung zwischen der Teilnehmenden vor Ort und am heimischen Computer sorgt.
Selbsthilfe- Kontakt- und Beratungsstelle Mitte
Tel.: 030 394 63 64 | Mail: kontakt@stadtrand-berlin.de | Web: www.stadtrand-berlin.de
Sonja Arens, Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung Bundesverband für chronisch entzündliche Erkrankungen des Verdauungstraktes (DCCV) e.V.
Tel.: 030 39 74 66 69 | Mail: sarens@dccv.de | Web: www.dccv.de