Arnd Hellinger ist unzufrieden mit Landesbeauftragten

Arnd Hellinger ist seit Jahren ein Protagonist der Berliner Behindertenbewegung. Er bringt sich an vielfältigen Stellen ein und ist unter anderem ein Verkehrsexperte. So zum Beispiel in der Arbeitsgruppe ‚Menschen mit Behinderung‘ bei den Senatsverwaltungen Stadtentwicklung und Wohnen bzw. Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Sowohl seinen Brief an die Landesbeauftragte als auch die Antwort der Landesbauftragten für Menschen mit Behinderung, Christine Braunert-Rümenapf, drucken wir hier ab.

Sehr geehrte Frau Braunert-Rümenapf, 

das Amt der/des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung stellt – zumal in einer Großstadt wie Berlin und insbesondere unter den aktuellen Bedingungen der Covid 19- Pandemie – selbstverständlich hohe Anforderungen an die/den Amtsinhabenden. Hierzu gehört etwa die Fähigkeit, unterschiedlich Betroffene in deren jeweils individueller Bedarfssituation gegenüber der Landesverwaltung sowie ggf. nachgeordneten Stellen angemessen – auch öffentlich – zu vertreten. Vor dieser Tätigkeit habe ich auch aus meiner persönlichen Biografie heraus den allerhöchsten Respekt. In den vergangenen Wochen und Monaten drängt sich leider nicht nur bei mir der fatale Eindruck auf, Sie könnten den Belastungen des Amtes nicht mehr ausreichend gewachsen sein. Dies wäre in der gegenwärtigen Lage der Menschen mit Behinderung in unserer Stadt natürlich fatal und zöge Erwägungen bzgl. einer Neubesetzung der Position der/des LfB nach sich. Gestatten Sie mir daher, diesen Eindruck anhand folgender Beispiele zu belegen: 

Im Sommer 2020 wurde bekannt, dass von SenIAS bei der Entlohnung von Assistenzpersonen unterschiedliche Stundensätze akzeptiert werden je nach dem, ob diese über einen ambulanten Pflegedienst mit Haustarifvertrag oder bei den Assistenznehmenden selbst im Rahmen des „Arbeitgebermodells“ beschäftigt sind. Es wäre hier ganz klar Ihre Aufgabe gewesen, auch öffentlich auf SenIAS und LAGeSo einzuwirken, damit diese Ungleichbehandlung schnellstmöglich beendet würde. Warum sind Sie diesbezüglich bis heute nicht tätig geworden?

Nach einem schweren Verkehrsunfall in 2018 in der östlichen Invalidenstraße (OT Mitte) ließ SenUVK dort bis Ende 2020 separate Radfahrspuren anlegen, ohne zeitgleich die in jenem Bereich befindlichen Haltestellen „Pappelplatz“ und „Brunnenstraße/Invalidenstraße“ der Straßenbahn im Benehmen mit der BVG zu barrierefreien Kap-Bahnsteigen auszubauen. In diesem Falle hätte es ebenfalls zu Ihren Aufgaben gehört, von Beginn der Planungen an auf SenUVK in der Weise einzuwirken, dass beide Maßnahmen – übrigens nicht nur in der Invalidenstraße – stets synchron zu erfolgen haben. Warum war Ihnen dies nicht möglich?

Der barrierefreie Umbau bestehender Schulgebäude sowie die Umwandlung von Förder- in inklusiv ausgerichtete Regelschulen hinken in Berlin erheblich hinter anderen Bundesländern zurück, obwohl Rechtsnormen wie die UNBRK oder das Grundgesetz schulpflichtigen Kindern bereits seit Jahrzehnten das Grundrecht auf Inklusion einräumen. So konnte etwa das Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium in Karlshorst bis heute nicht barrierefrei saniert werden, weil sich SenBJF und Bezirksamt Lichtenberg nicht über die Kostenteilung sowie Terminplanung verständigen können. Warum fordern Sie hierzu nicht – auch öffentlich – von Senat und Bezirksämtern deutlich mehr Engagement und konkrete Programme?

Bei der von SenGPG auf Basis der vom Robert-Koch-Institut – Ständige Impfkommission – empfohlenen Richtlinie für die Stadt Berlin festgelegten Covid 19-Impfstrategie werden Menschen wie ich selbst mit neurologischen oder neuromuskulären „Grunderkrankungen“ nur aufgrund der Nutzung einer eigenen Wohnung in keiner Weise ihrem Infektions- und Verlaufsrisiko angemessen berücksichtigt, obwohl den Bundesländern – also auch Berlin – sehr wohl entsprechende Optionen eingeräumt werden. Dies ist in hohem Maße diskriminierend. Ebenso inakzeptabel ist, dass Sie hierzu schweigen, statt bei SenGPG im Sinne der Betroffenen vorstellig zu werden und Abhilfe zu erwirken.

Die Auflistung ließe sich noch fortführen und es ist daher leider nur zu nachvollziehbar, dass sich viele Bürger‘innen unserer Stadt mit Behinderung durch Sie bzw. Ihre zunehmend passive Amtsführung nicht mehr angemessen vertreten fühlen. Sie beschädigen damit das Amt der/des LfB in erheblichem Maße. Ich darf Sie daher bitten, mir die Gründe Ihrer Passivität in o. g. Punkten zu erläutern sowie diesbezüglich ggf. noch aktiv zu werden, so dass ich noch davon absehen kann, politische Gremien des Landes Berlin mit der Angelegenheit zu befassen. Eine Veröffentlichung dieses Schreibens behalte ich mir vor. 

Mit freundlichen Grüßen 

Arnd Hellinger

Antwortschreiben von Braunert-Rümenapf

Sehr geehrter Herr Hellinger, 

mit Ihrer Nachricht vom 12.01.2020 hatten Sie sich an mich als Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung gewandt und mir Untätigkeit 1. bezüglich der unterschiedlichen Entlohnung von Assistenzpersonen, 2. beim Ausbau zu barrierefreien KAP-Bahnsteigen im Zusammenhang mit weiteren Baumaßnahmen der BVG, 3. beim barrierefreien Umbau bestehender Schulgebäude sowie 4. zu der Priorisierung der Impfstrategie im Rahmen der Covid 19 Pandemie vorgeworfen. Belege für die Behauptung der Untätigkeit, die ich ausdrücklich zurückweise, enthält Ihre E-Mail nicht. 

Ich berichte dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderung als meinem Beratungsgremium regelmäßig als festem Tagesordnungspunkt der Sitzungen über meine Aktivitäten. Diese sind jeweils Bestandteil des Protokolls der Treffen des Landesbeirats. Sie sind nicht öffentlich zugänglich, können aber, wie durch den Gesetzgeber im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) vorgesehen, nach Terminvereinbarung gern in der Geschäftsstelle des Landesbeirates hier im Hause eingesehen werden. Diese Berichte spiegeln u.a. die intensive Auseinandersetzung mit den Themen wider, die Sie in Ihrem Schreiben ansprechen. Darüber hinaus beschäftigen mich in meiner Arbeit eine Vielzahl weiterer behindertenpolitischer Bereiche und Fragestellungen, denen ich mich in Zusammenarbeit mit verschiedenen Gremien und Akteuren in Politik, Verwaltung und gemeinsam mit Vertreter*innen von Organisationen von Menschen mit Behinderung (in Land und Bund) widme. 

Nach § 5 Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) achtet die Landesbeauftragte zwar darauf, dass das Land Berlin seiner Aufgabe zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung nachkommt. Sie ist jedoch nicht verantwortlich für die Behindertenpolitik und kann weder die Fachebene ersetzen noch stellt der Bereich der Landesbeauftragten eine eigene Behörde dar. Mit der Funktion ist kein Weisungs- oder Vetorecht verbunden. Sie verbinden Ihre Behauptung der Untätigkeit mit dem Vorwurf der Amtsschädigung. Dabei nehmen Sie in Anspruch, dies auch für andere, nicht näher benannte, Bürgerinnen und Bürger zu tun. Ich habe Ihr Schreiben daher dem Vorsitzenden-Team des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung zur Kenntnis gegeben. 

Gern biete ich Ihnen aber auch einen persönlichen Austausch an; ggf. auch unter Einbeziehung des Vorsitzenden-Teams des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung. 

Mit freundlichen Grüßen 

Christine Braunert-Rümenapf

Informationen: Veröffentlichungen in der Berliner Behindertenzeitung spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der/die Verfasser/in haben die Veröffentlichung gewünscht bzw. erlaubt.

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