Bundesregierung erreicht gesteckte sozialpolitische Ziele nicht
Das vorgelegte Paritätische Jahresgutachten untersucht anhand von Daten der offiziellen Statistiken und der Gesetzgebung des Vorjahres, wie es um den sozialen Zusammenhalt steht und formuliert Handlungsbedarfe. „Die sozialpolitische Bilanz der scheidenden Bundesregierung fällt bescheiden aus. Viele selbstgesteckte Ziele waren wenig ambitioniert oder wurden verfehlt.
Die Stärkung des sozialen Zusammenhalts wird programmatisch zwar gerne beschworen, in der politischen Praxis dann jedoch allzu oft vernachlässigt”, bilanziert Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands die Befunde des vorgelegten Jahresgutachtens. So habe sich die Bundesregierung beispielsweise das Ziel gesetzt, die Zahl der Ärmeren zukünftig unter den EU-Schnitt zu halten. Dieses Ziel wurde nur teilweise erreicht. Tatsächlich lag die Armutsquote 2019 unverändert hoch. Außerdem gilt, wie das Gutachten exklusiv ausweist, jeder fünfte Rentner oder Rentnerin inzwischen als arm.
Bei einigen Vorhaben der Bundesregierung lohnt ein Blick in die Details: Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensiv-
pflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Kurzform IPReG) wurde ein neuer Leistungsanspruch auf ausserklinische Intensivpflege eingeführt. Diese kann, so das Gesetz, sowohl in Pflegeeinrichtungen als auch in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, aber auch Zuhause erbracht werden. Der Medizinische Dienst prüft jährlich, ob die medizinische und pflegerische Versorgung angemessen sichergestellt werden kann. Nur Intensiv-Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen werden von Eigenanteilen entlastet. Daran kritisiert der Bericht: Der Paritätische hat die Einführung des neuen Rechtsanspruchs auf ausserklinische Intensivpflege begrüßt, jedoch im Laufe des gesamten Gesetzgebungsverfahrens und darüber hinaus vehement davor gewarnt, durch Neuregelungen das Wahlrecht der betroffenen Menschen zu gefährden oder einzuschränken. Das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen müsse im Zentrum der medizinischen und pflegerischen Versorgung stehen – unabhängig davon, ob ein Mensch schwer erkrankt oder in sonstiger Weise mit Einschränkungen konfrontiert ist. Fazit der Parität: Mit dem Gesetz sind stärkere Möglichkeiten geschaffen worden, Betroffene gegen ihren Willen zu einem Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung zu bewegen, etwa indem der Wegfall von Zuzahlungen nur in stationären Pflegeeinrichtungen gilt, nicht Zuhause. Das widerspricht eklatant dem Selbstbestimmungsrecht.