Neuer Vorsitzender: Interview mit Gerd Miedthank

Seit kurzem ist Gerd Miedthank neuer Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands. Grund für uns, ihn vorzustellen. Mit Gerd Miedthank sprach Dominik Peter.

BBZ: Gerd, du bist zum Vorsitzenden des BBV gewählt worden. Kannst du dich kurz vorstellen? Wie bist du zum BBV gekommen?

Gerd Miedthank: Ich bin 59 Jahre alt und in Stralsund geboren. Seit 1978 lebe ich in Berlin. Ich bin der Meinung, dass wir einen gesellschaftlichen Wandel benötigen.Von unseren demokratischen Parteien bin ich sehr enttäuscht. Sie reden im Alltag von einer inklusiven Gesellschaft, aber sie handeln nicht danach, obwohl sie 2009 die UN-BRK im Deutschen Bundestag und Bundesrat ratifiziert haben.

Ich habe 2015 deswegen den Verein Sozialdenker e.V. gegründet, der sich für eine inklusive Wertegesellschaft in Politik und Gesellschaft stark macht. 2016 bin ich Mitglied im BBV geworden, weil ich mich auch hier aktiv für eine inklusive Gesellschaft engagieren wollte.

2017 wurde ich in den Vorstand des BBV als Schriftführer gewählt und wurde in diesem Amt bei der Mitgliederversammlung 2019 bestätigt.  Auf der Mitgliederversammlung 2022 übernahm ich das Amt des BBV-Vorsitzenden. Es ist mir eine Ehre, aber auch eine Verpflichtung, die starke Stimme des BBV für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt hochzuhalten und zu verstärken.

BBZ: Das Amt des Vorsitzenden wird dich sicherlich auch zeitlich stark beanspruchen. Willst du dafür an anderer Stelle kürzertreten?

Gerd Miedthank: Nein, warum sollte ich. Ich bin seit Jahren ehrenamtlich in verschiedenen Verbänden tätig. Der BBV wird von einem Team geführt. Dafür sind wir von unseren Mitgliedern für die nächsten drei Jahre gewählt worden. Alle Vorstandsmitglieder werden den BBV in den verschiedenen Bereichen der Arbeitsgruppen, Gremien und Vereine vertreten. Ganz allein könnte ein Vorsitzender, diese partizipativen Rechte, Angebote und Verpflichtungen im Land Berlin, im Interesse seiner Mitglieder, nicht wahrnehmen.    

BBZ: Was sind denn aus deiner Sicht die aktuell größten Herausforderungen für den BBV bzw. die Berliner Behindertenpolitik?

Gerd Miedthank: Der BBV wird sich wie immer für Verbesserungen für die Menschen mit Behinderungen in Berlin stark machen, aber weiterhin laut aufschreien, wenn sie das Gegenteil bewirken. Der BBV ist im Landesbehinderten- und Landesteilhabebeirat als stimmberechtigtes Mitglied vertreten. Diese und andere Gremien nehmen wir sehr ernst. Sie müssen sich aber auch in ihrer Struktur und nachhaltig ändern, damit wir auch wirklich von Partizipation sprechen können. Dafür werden wir uns weiter stark machen.   

Der BBV hat sich unter Führung meines Vorgängers Dominik Peter nachhaltig weiterentwickelt. Der BBV hat für Menschen mit Behinderungen im BBV attraktive Arbeitsplätze in der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), in unserer Geschäftsstelle und unserem Zugpferd, der Berliner Behindertenzeitung, geschaffen. Ferner haben wir sehr interessante Projekte, wie „Keine Angst vor Sozialverwaltung & Sozialrecht“, einem Empowerment-Workshops für ehrenamtlich Beratende. Nicht zu vergessen die Talk-Sendung „3M – mitreden, mitdenken, mitentscheiden“ von und für MmB. Zu sehen auf unserem YouTube-Kanal oder bei Alex Berlin.

BBZ: Welche Pläne hast du für die Zukunft des Verbandes?

Gerd Miedthank: An dieser erfolgreichen Arbeit wollen wir im BBV anknüpfen, dazu gehört die Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze für unsere BBV Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, indem wir neue und nachhaltige Projekte mit und für Menschen mit Behinderungen entwickeln wollen.

Der Berliner Behindertenverband plant ja immer jährlich am 05. Mai gemeinsam mit anderen Vereinen und Verbänden in einem Organisationsteam den Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Wir wollen für das nächste Jahr auch andere Gruppen, Vereine und Verbände einladen, die sich wie wir für eine inklusive Gesellschaft in Berlin stark machen. Wir gehen davon aus, dass wir „Gemeinsam stark sind“ und dadurch unsere Inhalte, Forderungen und Kritiken besser in die Politik und in die Gesellschaft transportieren können.

Unsere gemeinsame Veranstaltungsreihen mit dem ABiD und dem Sozialdenker e.V. zu Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen werden fortgesetzt. Es gibt viele Fragen an die Politik, so zum Beispiel die „Neuausrichtung der EUTB ab 2023“, wie wird der Berliner Koalitionsvertrag auf dem Weg zur einer inklusiven Stadt auch wirklich umgesetzt und natürlich ein wichtiges Thema in unserer Stadt, die Weiterentwicklung eines inklusiven Arbeitsmarktes. 

Wir haben soviel Themen, die der Berliner Behindertenverband seit über 30 Jahren bemängelt. Zum Beispiel das Thema Barrierefreiheit, die wir immer wieder auf die Tagesordnung setzen müssen, weil sie durch die Politik vernachlässigt werden.    

BBZ: Was erzürnt Dich besonders?

Gerd Miedthank: Wir haben kein Problem der Erkenntnis, wie eine inklusive Gesellschaft gestaltet werden kann. Wir haben seit Jahren ein Aufklärungs- und Umsetzungsproblem in der Politik und insbesondere die fehlende „Bewusstseinsbildung in unserer Gesellschaft“. Nachhaltige Politik ist inklusive Politik, weil alle in gleichermaßen auf Augenhöhe beteiligt werden. Wird Zeit, dass dies die Politik erkennt und unsere ehrenamtliche Arbeit auch wertschätzt. Wir haben lange genug diese Probleme erörtert, wir müssen diese endlich umsetzen.  

 BBZ: Danke für das Interview. 

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