Kritik an den Alibi-Beteiligungsformaten

Eine Meldung aus dem Musterländle Baden-Württemberg bei Kobinet lässt aufhorchen. Demnach hat die Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ ihre Mitarbeit im Beteiligungsprozess zur Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beendet. 

Wie kam es zu diesem Knall? Kobinet zitiert die LAG-Vorsitzende Kirsten Jakob mit: „Es gab und gibt keinen echten Veränderungswillen“ und sie setzt noch einen drauf: „Für Alibi-Beteiligungen stehen wir nicht zur Verfügung!“ 

Anscheinend gewann die Vorsitzende den Eindruck, dass man verhindern wollte, dass allzu konkrete Ziele im Bereich inklusive Bildung im neuen Landesaktionsplan stehen. Durch die Kurzfristigkeit der Meldung, die sprichwörtlich in letzter Minute zu unserer Aufmachergeschichte wurde, war es uns leider nicht möglich gewesen, Auskünfte vor Ort einzuholen. 

Die Debatte über vermeintliche Alibi-Veranstaltungen wird bei Interessenvertretern im Land Berlin und andernorts ebenfalls geführt. Anhand von Berlin kann das Problem exemplarisch verdeutlicht werden: Neben den Behindertenbeiräten in den Bezirken gibt es nunmehr auch Teilhabebeiräte. Selbes Konzept auch auf Landesebene – neben einem Landesbeirat gibt es auch einen Teilhabebeirat. Zudem viele, mehr oder weniger sinnstiftende Arbeitsgemeinschaften, angesiedelt bei den Senatsverwaltungen. Weitere zahllose Gruppierungen, Arbeitsgruppen und Runde Tische, wie etwa der Fahrgastbeirat, kommen noch hinzu. In den letzten Jahren nahmen diese Partizipationsformen massiv zu. Selbst Vereine, wie der Berliner Behindertenverband, der über hoch engagierte Mitglieder verfügt, kann all den Einladungen zu den diversen Sitzungen nicht mehr nachkommen. 

Kirsten Jakob von der „Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ spricht in ihrem Fall von einer Pseudo-Veranstaltung. Daher muss die Frage erlaubt sein, wie sinnvoll sind derartige Gremien grundätzlich? Diese Frage lässt sich nicht einheitlich mit einem Ja oder Nein beantworten. Dialoge sind per se positiv zu bewerten. Doch es gibt auch in Berlin Partizipationsformate, die schlichtweg Zeitverschwendung sind, so zumindest meine Erfahrung. Die Behindertenbewegung steht zudem vor dem Dilemma, dass viele Mitstreiter ihre Zeit ehrenamtlich erbringen. Doch wer kann sich einbringen, wenn diese Beteiligungsformate tagsüber stattfinden? Halt dann, wenn die Mitarbeiter der Verwaltungen können. Berufstätige ehrenamtliche Mitstreiter schütteln daher nur noch den Kopf.

In den nächsten Jahren muss daher die Frage gelöst werden, wie Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können, dass die Partizipation funktionieren kann. Es muss aber auch der Fokus darauf gelenkt werden, wie der Einfluss von Interessenvertretern in diesen Gremien gestärkt werden kann. Übrigens: Auf Alibi-Veranstaltungen haben auch die handelnden Personen am anderen Ende des Tischs immer weniger Lust.

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