Echte Wahlmöglichkeiten für alle schaffen
BBZ/PM Deutschland ist fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention noch weit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt. Das erklärt das Deutsche Institut für Menschenrechte anlässlich des Jahrestags des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland am 26. März.
„Menschen mit Behinderungen haben in vielen wichtigen Lebensbereichen immer noch keine echten Wahlmöglichkeiten, die ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen würden, wie es für ihre Mitmenschen selbstverständlich ist“, erklärt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts.
So hätten Kinder mit Behinderungen vielerorts de facto keine Alternative zu Förderschulen, weil es den Regelschulen an einem inklusiven Konzept, entsprechender Ausstattung oder pädagogischem Personal fehlt. Auch nach ihrer Schulzeit könnten Jugendliche mit Behinderungen kaum einen anerkannten Beruf erlernen oder eine Hochschule besuchen, sondern hätten meist nur die Optionen Berufsbildungswerk oder Werkstatt für behinderte Menschen. „Es kommt zu einer Exklusionskette, die die Rechte der Menschen mit Behinderungen massiv beeinträchtigt“, so Palleit.
„Auch auf dem angespannten Wohnungsmarkt haben Menschen mit Behinderungen sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeiten“, betont Palleit. In Deutschland sei noch immer nur etwa jede fünfzigste Wohnung barrierefrei – und das in Zeiten steigenden Bedarfs angesichts der demografischen Entwicklung. Diese Beispiele zeigten, dass sich strukturelle Probleme der Gesellschaft auf Menschen, die eine Beeinträchtigung welcher Art auch immer haben, besonders stark auswirken. Das Institut fordert Bund, Länder und Kommunen auf, in ihrer jeweiligen Zuständigkeit entschieden gegenzusteuern und zügig die nötigen Weichenstellungen vorzunehmen, sei es ordnungspolitisch, institutionell oder finanziell. Palleit: „Noch immer sind in Deutschland, entgegen den menschenrechtlichen Verpflichtungen und aller Inklusions-Rhetorik zum Trotz, die Weichen so gestellt,
dass für viele Menschen mit Behinderungen der Weg in Sonderstrukturen vorgezeichnet ist.“ Alle Lebensbereiche müssten für alle Menschen, auch Menschen mit Behinderungen, zugänglich und inklusiv gestaltet sein.
„Inklusion ohne Selbstbestimmung ist keine Inklusion. Und selbstbestimmt lebt nur, wer zwischen echten Alternativen wählen kann“, so der Menschenrechtsexperte.