Ärzteschaft muss umdenken

Die gesundheitliche Versorgung läuft in Deutschland im wesentlichen über die Arztpraxen. Dies ist auch gut so. Problematisch wird es aber, wenn Patienten auf eine bestimmte Form von Barrierefreiheit angewiesen sind. 

Bundesweit verfügen rund 50 Prozent der Arztpraxen über keinerlei Vorkehrung zur Barrierefreiheit und in Berlin sind es noch satte 43 Prozent. Die freie Arztwahl, eigentlich ein verbrieftes Recht aller Patienten, bleibt für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen im Alltag allzu oft bloße Utopie. In Hannover (Niedersachsen) hat man das Problem erkannt. Das niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung stellt nunmehr Geld bereit. Damit sollen Hausärzte und Hausärztinnen auf dem Land gefördert werden, die ihre Praxen barrierefrei umgestalten möchten. Das Geld soll beispielsweise dafür genutzt werden, dass die Zugänglichkeit von Praxen in den ländlichen Regionen verbessert wird. Vor allem dort wird der Mangel an Praxen immer größer, bereits tausende von Arztpraxen haben geschlossen. Behinderte Bürger haben kaum noch eine Chance im Wohnumfeld versorgt zu werden. Wegen des bereits jetzt schon eklatanten Mangels an umfassend barrierefreien gynäkologischen Praxen sind davon ganz besonders Frauen mit Behinderung betroffen.

Doch wie so immer, hat das Vorgehen des niedersächsischen Ministeriums einen Haken: Es werden gerade einmal 900.000 Euro bereit gestellt. Wer schon mal eine Toilette barrierefrei umgebaut oder einen barrierefreien Zugang hergestellt hat, der kann erahnen, wie wenig mit 900.000 Euro umgerüstet werden kann. Das ist nicht mehr, als ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Die jetzt ausgelobte Förderung kann nur ein Einstieg sein und müsste dringend verstetigt werden. Doch nicht nur in Niedersachsen ist dies nötig sondern bundesweit. 

Alter Hut 

Schon vor vier Jahren haben die Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderung von der Kassenärztlichen Vereinigungen und vom damaligen Bundesgesundheitsminister (Jens Spahn) gefordert, dem Sicherstellungsauftrag zur barrierefreien vertragsärztlichen Versorgung nach zu kommen. Neben vielem anderen forderten die Beauftragten damals leider vergeblich, endlich auch die Möglichkeiten des SGB V voll auszuschöpfen und Ärzte und Ärztinnen besser zu vergüten, wenn sie barrierefreie Angebote vorhalten. 

Allerdings unterlässt es der Bund dafür zu sorgen, dass Vorgaben zur Verbesserung der Barrierefreiheit von Arztpraxen auch in aller Konsequenz umgesetzt werden. Insofern kann man sich über den Schritt von Niedersachsen zumindest etwas freuen, weil er die Situation zumindest an einigen wenigen Standort verbessern wird. Vielleicht folgen ja weitere Länder diesem Beispiel.

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