Teilhabe in Berlin auf dem Kipppunkt

+++ Update: Aufgrund jüngster positiver politischer Entwicklungen möchten wir eine frühere Darstellung in dem Leitartikel unserer BBZ-Printausgabe April 2025 korrigieren. Die damalige Einschätzung basierte auf dem zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationsstand. Inzwischen hat sich der Berliner Senat glücklicherweise auf die Weiterführung des Bus und Bahn-Begleitservices des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) geeignet. +++

Den ursprünglichen Artikel finden Sie hier:

Der Bus und Bahn-Begleitservice des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) richtet sich an Personen die sich auf Grund von Mobilitätseinschränkungen bei der Nutzung von Bus und Bahn unsicher fühlen. Das sind vorwiegend Menschen, die einen Rollstuhl, Rollator oder eine Gehhilfe nutzen, seheingeschränkte oder blinde Menschen, gehörlose, aber auch stark verunsicherte Menschen.

Jeder Mensch, der geh- oder seheingeschränkt ist und Bus und Bahn nur schwer alleine nutzen kann oder Hilfe an komplizierten Umsteigepunkten benötigt, kann einen Begleitservice buchen. Allerdings müssen Nutzende jedoch in der Lage sein, ihren Weg auch zu bewältigen. Der Service ersetzt nicht den Berliner Sonderfahrdienst oder bezirkliche Mobilitätsdienste.

Der Bus und Bahn-Begleitservice des VBB begleitet täglich in der Zeit von 7:00 bis 22:00 Uhr. Im gesamten Berliner Stadtgebiet – Tarifbereich AB (inklusive Flughafen BER) können Menschen nach erfolgreicher Buchung von der Wohnungstür zur Zieladresse und auf Wunsch auch wieder zurück begleitet werden.

Ab Sommer 2025 wird dieser Dienst aufgrund der Berliner Sparmaßnahmen nicht mehr angeboten. Diese Entscheidung löste bei vielen Personen große Unsicherheit aus. Wie sollen sie sich künftig sicher durch die Stadt bewegen? Wer unterstützt die Menschen,, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen wollen? 

Diese Fragen sind nicht nur individuell von Bedeutung, sondern betreffen das Grundrecht auf selbstbestimmte Mobilität für tausende Berliner:innen mit besonderen Bedürfnissen Der VBB Bus und Bahn-Begleitservice ist weit mehr als eine einfache Unterstützung beim Reisen – er ermöglicht Menschen eine eigenständige und sichere Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.

Seit seiner Einführung im Jahr 2008 wurden über 220.000 Begleitungen durchgeführt. Täglich profitieren 80 bis 100 Fahrgäste von der individuellen, kostenlosen Unterstützung. Eine repräsentative Untersuchung des Instituts für Kultur-Markt-Forschung (IKMF) belegt die hohe Qualität und den enormen gesellschaftlichen Nutzen dieses Angebots. Laut der Umfrage können 96 Prozent der Menschen ihre Wege ohne den Begleitservice nicht oder nur sehr eingeschränkt bewältigen. Ein Drittel erschließt sich durch den Service neue Routen, die sie später selbstständig nutzen können und 77 Prozent berichten von einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität. Die geplanten Kürzungen im Berliner Landeshaushalt treffen mit der Streichung dieses Angebots ausgerechnet diejenigen, die am dringendsten auf barrierefreie Mobilität angewiesen sind und dürfen nicht zu sozialer Ausgrenzung führen.

Die Tatsache, dass viele Bahnhöfe und Verkehrsmittel in Berlin nach wie vor nicht barrierefrei sind, erschwert die Situation für diese Menschen zusätzlich und verstärkt die Abhängigkeit von dem VBB Bus und Bahn-Begleitservice. Berlin steht für Vielfalt, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. Doch genau diese Werte geraten mit der geplanten Einstellung des Begleitservices in Gefahr.

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