Sicherung der pflegerischen Versorgung nicht vergessen
Mitte März haben die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD begonnen. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. (ISL) erinnert angesichts der bisher nur spärlichen Äußerungen im Sondierungspapier und hinsichtlich des behindertenpolitischen Handlungsbedarfes an die mahnenden Worte des Behindertenbeauftragten Jürgen Dusel: „Demokratie braucht Inklusion!“
Die ISL empfiehlt die Orientierung an den „Formulierungsvorschlägen für die Koalitionsvereinbarung 2025“ der LIGA Selbstvertretung und mahnt, die Verhandlungen konsequent an der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auszurichten. Das bedeutet auch, bei zukünftigen Gesetzgebungsvorhaben strikt partizipativ vorzugehen. Ganz konkret benennen die „Formulierungsvorschläge“ vier Kernbereiche:
- Barrierefreiheit, insbesondere die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) sowie umfassende Barrierefreiheit im Bereich der öffentlichen Personenbeförderung und im Gesundheitswesen
- Gewaltschutz, insbesondere einheitliche Gewaltschutzkonzepte für Einrichtungen der sog. Behindertenhilfe und der Verzicht auf Zwang im Psychiatriebereich
- Deinstitutionalisierung, insbesondere den Abbau von Sonderstrukturen bei Arbeit, Wohnen und in der Bildung mit gezielten Maßnahme-Plänen
- Nicht-Diskriminierung, insbesondere die Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) inklusive der Aufnahme des Diskriminierungsverbotes im Bereich von Gesundheitsdienstleistungen
Das Sondierungspapier stellt in Aussicht, die „Barrierefreiheit im privaten und im öffentlichen Bereich [zu] verbessern“ und verspricht die Deinstitutionalisierung im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben mit Maßnahmen zum Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Damit sind erste wichtige Schritte angesprochen. Ein effektiver Gewaltschutz, die Deinstitutionalisierung in den Bereichen Wohnen und Bildung sowie die dringend notwendige Novellierung von BGG und AGG fehlen jedoch noch.
Ergänzend weist die ISL auf zwei wichtige Änderungen auf dem Weg zu einem inklusiven Gesundheitssystem hin: Die Wahlfreiheit des Wohnorts ist gerade im Bereich der Außerklinischen Intensivpflege ohne Eigenanteile im SGB XI zu gewährleisten. Um jährliche untergesetzliche Sonderregelungen im Bereich des § 37 c SGB V seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses überflüssig zu machen, ist dringend eine Gesetzesanpassung notwendig.
Die ISL fordert die verhandelnden Parteien auf, in der Koalitionsvereinbarung mehr Inklusion zu wagen, entschlossen zu sein und Verbesserungsvorschläge für mindestens die benannten vier Kern-Forderungen zu erarbeiten. Sie erinnert dafür weiter an die „10 Gebote für die Bundestagswahl“.
Die „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.