Hilfe zur Selbsthilfe statt Vorurteile
Angesichts der positiven Resonanzen stellt die BBZ auch dieses Jahr monatlich Angebote und Selbsthilfegruppen in Berlin vor. Die Serie soll zu Informationen über Selbsthilfegruppen verhelfen, zu Gruppengründungen animieren sowie Vorurteile abbauen. Die Artikel richten sich an bereits Aktive sowie Interessierte der Selbsthilfe.
Ich konnte mit Katja Fiebig und Christiane Ricard über ihre Selbsthilfegruppe Mastermind „Gutes Hören“ sprechen. Beide leiten diese Selbsthilfegruppe. Sie richtet sich an Menschen jeden Alters mit einer Hörbehinderung.
BBZ: Was sind Sie für eine Selbsthilfegruppe und haben Sie eine bestimmte Zielgruppe?
Unsere Selbsthilfegruppe Mastermind „Gutes Hören“ besteht aus derzeit 21 Mitgliedern mit Hörbehinderung. Die Treffen sind in der Regel einmal monatlich an der Adresse der Selbsthilfe-Kontaktstelle von SEKIS in Charlottenburg-Wilmersdorf. Zielgruppe sind Menschen jeden Alters mit einer Hörbehinderung – sei es seit Geburt, Kindheit oder seit dem jungen Erwachsenenalter, wie bereits mittendrin im Beruf.
Die Teilnehmenden tauschen sich zu Themen rund um Hörbehinderung aus, die uns in unserem beruflichen und privaten Alltag beschäftigen. Damit streben wir einen selbstbewussten und selbstbestimmten Umgang mit unserer Hörbehinderung an und fördern ein positives Mindsetting. Die Themen sind vielfältig und gehen um Kommunikations-Strategien im Umgang mit der Hörschädigung oder um die Nutzung technischer Unterstützungsmöglichkeiten wie Sprach-Apps und Zubehörtechnik, wie auch Training von Mundabsehen.
BBZ: Führen Sie nur Gesprächsrunden oder machen Sie auch Aktivitäten? Berichten Sie gerne von Treffen, die Sie noch gut in Erinnerung haben.
Bei uns sind es Gesprächsrunden mit Austausch. Außerdem machen wir Übungen in Mundabsehen sowie in Gebärdensprach-Vokabeln der Deutschen Gebärdensprache mit einem Dozenten.
BBZ: Wozu haben Sie die Selbsthilfegruppe gegründet?
Die Gruppe ist aus dem Teilnehmendenkreis eines zweitägigen Seminars „Selbstbewusstes Hören im beruflichen Kontext“ 2018 entstanden. 2021 übernahmen wir, Christiane Ricard und Katja Fiebig, die Gruppenleitung und führen die Selbsthilfegruppe seitdem weiter. Menschen mit Hörbehinderung leisten tagtäglich Höchstarbeit in Kombinieren und Erfassen einer
Gesprächs-Situation mit kontextlogischem Denken wie beim Mastermind-Spielen.
Mastermind ist als das Logik-Spiel bekannt, bei dem zwei Spielende Kombinationsgabe und logisches Denkvermögen trainieren. Deshalb heißt unsere Gruppe auch Mastermind. Hören ist nicht gleich (Sprach)-Verstehen.
BBZ: Warum engagieren Sie sich persönlich für Ihre Selbsthilfegruppe? Sind Sie selbst betroffen oder gibt es andere Gründe?
Wir haben beide selbst eine Hörbehinderung: Christiane Ricard ist seit Geburt hochgradig bis an Taubheit grenzend schwerhörig, Katja Fiebig ist seit Geburt taub. Wir kennen sowohl das Tragen von Hörgeräten seit Kindheit wie auch Cochlea Implantat im Erwachsenenalter. Wir beide kennen und erbringen in unserem aktuellen Berufsalltag in Vollzeit die alltägliche Hör-Höchstleistung.
Wir haben die Selbsthilfe übernommen, um uns gegenseitig zu empowern und aus dem Austausch mit den anderen Teilnehmenden gestärkt hinauszugehen. Das ist das Ziel unserer Mastermind-Gruppe.
BBZ: Hatten Sie anfangs oder haben Sie Vorurteile oder Hemmungen in Bezug auf Selbsthilfegruppen und Gesprächsrunden?
Vorurteile oder Hemmungen hatten und haben wir nicht: Im Gegenteil. Hilfe zur Selbsthilfe war und ist Teil unseres täglichen Umgangs.
BBZ: Sehen Sie in Selbsthilfegruppen Chancen? Falls ja, welche und warum.
In der Selbsthilfearbeit sehen wir definitiv Chancen, ja. Selbsthilfekontaktstellen, landes- und bundesweite Selbsthilfeorganisationen bieten dabei ein weitumfassendes Netzwerk und Unterstützung bei Gruppengründung und Fördermittelmöglichkeiten sowie auch Fortbildungen. Wir verstehen Selbsthilfegruppen als Plattform für Netzwerkerweiterung und Erfahrungsaustausch. Vier-Augen-Gespräche mit Gesprächs- und Ratsuchenden empfehlen wir dagegen besser bei Fachleuten in Beratungsstellen..
Selbsthilfegruppenarbeit kann als niedrigschwelliges Angebot verstanden werden, über Schwierigkeiten in unserem Alltag zu sprechen, neuen Input zu bekommen und voneinander zu lernen. Außerdem können die Teilnehmenden sich gegenseitig Mut machen. Das stärkt das Selbstwertgefühls. Für viele ist es auch ein Sprungbrett zu ihrem nächsten Bedarfsschwerpunkt in einer anderen Selbsthilfegruppe.
Selbsthilfe wird auch immer mehr von jungen Leuten gestaltet. Zusammen etwas unternehmen ist dabei mindestens so wichtig wie das
Zusammensitzen und sich auszutauschen. Selbsthilfe weist die besondere Bedeutung der eigenen Erfahrung auf. Deswegen ist es sehr gut, dass es unterschiedliche Gruppentreffen und -angebote gibt. Wir schaffen dabei Synergien mit anderen Selbsthilfegruppen.
BBZ: Haben Sie Kontakt zu einer Selbsthilfekontaktstelle und warum?
Ja, es ist die SEKIS. Sie bietet regelmäßig Fortbildungen und Informationsveranstaltungen für Selbsthilfegruppenleitende. SEKIS stellt uns netterweise auch Räume für unsere Treffen.
BBZ: Wie viele regelmäßig teilnehmende Personen hat Ihre Gruppe?
Bei den Treffen sind regelmäßig acht bis zehn Teilnehmende anwesend.
BBZ: Wie lange dauert jeweils ein Treffen und gibt es regelmäßige Termine, wie bestimmte Tage und Zeiten?
Wir treffen uns einmal im Monat. In der Regel ist es jeder zweite Mittwoch im Monat. Die Treffen dauern jeweils zwei Stunden.
BBZ: Ist Ihre Selbsthilfegruppe offen für neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer und wie können neue Interessenten Ihre Gruppe kontaktieren?
Ja, wir sind offen für neue Teilnehmende. Neue Interessierte können uns gerne über E-Mail kontaktieren: mastermind@berlinerhoeren.de