„Wir wollen dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt inklusiver wird“
Dominik Peter sprach mit Nils Dreyer über das Projekt Inklupreneur und seine Ansätze, Vorteile, Ziele und Probleme.
BBZ: Was ist Inklupreneur bzw. was wollt ihr mit Inklupreneur erreichen?
Nils Dreyer : Inklupreneur ist im letzten Jahr als Pilotprojekt der Hilfswerft gGmbH in Berlin gestartet. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales finanziert hier die Umsetzung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe für die ersten drei Jahre. Unser Ziel ist es, bis 2024 mindestens 60 Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt bei Berliner Startups zu schaffen, die mit Menschen mit Behinderung besetzt werden können. Kurz gesagt: Wir wollen dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt inklusiver wird und Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft sichtbarer werden.
Unternehmen, die Interesse haben, die eigene Unternehmenskultur inklusiver zu gestalten, aber selbst nicht so recht wissen, wie sie es angehen sollen, können auf uns zukommen und online unseren Inklupreneur-Pledge unterzeichnen. Dort legen sie dann fest, wie viele Stellen sie innerhalb des Projektzeitraums inklusiv besetzen wollen. Der Pledge ist gleichzeitig die Eintrittskarte für das Programm. Wir arbeiten dann intensiv jeweils mit einer Kohorte zusammen, deren Größe je nach Betreuungsbedarf der teilnehmenden Unternehmen variiert. Zu Beginn im Starter Camp entwickeln die Unternehmen mit uns und der Unterstützung von Fachexpert*innen eine Inklusionsstrategie und danach werden sie von uns intensiv im Rahmen von Personal Coachings bei der Umsetzung begleitet.
BBZ: Wie ist der Ist-Stand?
Nils Dreyer: Im letzten Jahr hat die erste Kohorte das Programm absolviert, wobei wir alle sehr viel gelernt haben. Insgesamt 16 Unternehmen, darunter KFZteile24, Ecosia und Einhorn, haben aktiv teilgenommen und gemeinsam 64 Stellen „gepledged“. Davon sind bisher 3 Stellen erfolgreich besetzt und auch größere Projekte, wie gesamte inklusive Abteilungen, sind in Planung. Ende März starten wir dann mit der nächsten Kohorte durch. Diesmal sind es weniger Unternehmen, aber Größen wie HelloFresh, Share und die MBition – eine Tochterfirma von Daimler sind mit dabei. Parallel startet auch in Bremen die erste Kohorte. Wir wachsen also und erreichen so immer mehr Menschen mit unserer Mission.
BBZ: Was sind Probleme, die aufgetaucht sind? Was läuft besonders gut?
Nils Dreyer: Von Anfang an haben wir für unser Projektvorhaben von allen Seiten einen tollen Zuspruch bekommen, und das setzt sich auch bis heute so fort, was uns sehr freut! Dazu bekommen wir von vielen Seiten Unterstützung, vor allem kommunikativ, um unser Projekt noch bekannter zu machen und in den Communities der Menschen mit Behinderung immer sichtbarer zu werden. Eins unserer Probleme ist nämlich, die bei denUnternehmen geschaffenen Stellen auch mit Menschen mit Behinderung zu besetzen.
Wir bemerken immer wieder, dass beide Seiten zwar hochmotiviert sind, es aber noch selten zu Bewerbungen bei unseren Inklupreneur-Unternehmen kommt. Das ist eine Sache, an der wir ganz intensiv arbeiten. Neben der engen Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, Vereinen und Verbänden wollen wir demnächst auch einen Talent-Pool für Menschen mit Behinderung aufbauen. Darüber hinaus suchen wir stets nach neuen Möglichkeiten, um mehr „Matches“ zu ermöglichen.
BBZ: Es gab und gibt immer wieder Bemühungen, Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Was macht ihr anders?
Nils Dreyer: Neben der dezidierten Ausrichtung auf die Startup-Szene ist eine Besonderheit an unserem Projekt, dass wir nicht nur über Menschen mit Behinderungen und deren Bedürfnisse sprechen, sondern vor allem mit ihnen! Wir haben einen Pool von 20 Personen mit verschiedensten Behinderungen mit an Bord: Unsere Mentor*innen. Ohne sie wäre das Projekt ein ganz anderes geworden, denn durch ihre persönlichen Erfahrungen profitieren wir alle. Die Unternehmen können alle Fragen stellen, bekommen ehrliche Feedbacks und können insgesamt ihre Ängste und Hemmungen abbauen, was das Thema Behinderungen angeht. Außerdem geht unsere Arbeit über das reine Impulsgeben hinaus, sondern wir arbeiten sehr eng und strukturiert mit den Inklupreneur-Unternehmen zusammen, damit sie ihr gepledgtes Ziel am Ende auch wirklich erreichen können. Ehrlicher Austausch und enge Zusammenarbeit sind uns sehr wichtig.
Über Nils Dreyer: Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Hilfswerft gGmbH und Projektleiter von Inklupreneur. Nils Dreyer ist Serien-Gründer und Wirkungs-Investor. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Wendland, zählte der ausgebildete Bankkaufmann zu den ersten Internetunternehmern aus der Generation X. Mit einer Online-Quiz-Community, die bereits Ende der 90er-Jahre einen Crowdsourcing-Ansatz verfolgte, begann er seine Gründer-laufbahn. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Witten/Herdecke startete er 2007 eine Online-Expertenvermittlung im B2B-Bereich, woraus später die Contentmarketing-Agentur Textprovider und wenige Jahre später die Agenturgruppe Collective IQ wurde. Der persönliche Umbruch kam mit der Erkenntnis, dass es nicht nur Geld braucht, um auch langfristig glücklich zu sein. Ende 2014 gründet er deshalb die Hilfswerft gGmbH in Bremen. Als geschäftsführender Gesellschafter verfolgt er das Ziel, gesellschaftliches Unternehmertum (Social Entrepreneurship) deutschlandweit zu verbreiten.