Angriff auf Selbstbestimmung Behinderter in Berlin
Eigentlich müssten die Behörden behinderten Menschen, die ihre Assistenz selbstbestimmt ohne einen ambulanten Dienst im Rahmen des Arbeitgebermodells organisieren, dankbar sein. Denn die Assistenzstunde kostet bei ihnen meist weniger als bei einem Dienst, weil sie selbst einige der sonst anfallenden Regiekosten übernehmen. Doch nun zeichnet sich in Berlin sogar noch ab, dass Assistent*innen in Ambulanten Diensten höhere Tarifzahlungen von der Behörde anerkannt bekommen, wie im Arbeitgebermodell. Dies ist für Birgit Stenger von der Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen (ASL) ein Angriff auf die Selbstbestimmung behinderter Menschen und völlig unverständlich, da es bei diesem Tarifgefälle viel schwerer wird, Assistent*innen für das Arbeitgebermodell zu finden.
„In Berlin sollen die Assistent*innen, die bei den behinderten Menschen beschäftigt sind, ab dem 1. Januar 2020 deutlich schlechter bezahlt werden, als die Assistent*innen der Assistenzdienste. Wir können unsere Assistent*innen lediglich nach TVL EG3 bezahlen, während die Dienste TVL EG 5 abrechnen können“, erklärte Birgit Stenger. Schon jetzt sei es unglaublich schwierig, persönliche Assistenten und Assistentinnen zu finden, berichtet Birgit Stenger: „Zukünftig wird es nahezu unmöglich werden. Wer entscheidet sich für eine deutlich anspruchsvollere Tätigkeit bei einem behinderten Arbeitgeber oder einer behinderten Arbeitgeberin, wenn man dafür weniger Geld bekommt. Das Team eines behinderten Arbeitgebers bzw. einer behinderten Arbeitgeberin muss alle Tage des Jahres abdecken, einschließlich plötzlich notwendig werdender Krankheitsvertretungen, während die Assistenzdienste einen Bereitschaftsdienst vorhalten können. Dies war unter anderem der Grund, warum im Rundschreiben zum Arbeitgeber*innen-Modell bisher immer stand, dass die behinderten Arbeitgeber*innen auch höhere Löhne zahlen können, solange sie nicht teurer werden als ein Assistenzdienst.“
Diese Regelung zur unterschiedlichen Bezahlung von Assistenzkräften stellt für Birgit Stenger, die ihre Assistenzkräfte schon seit vielen Jahren selbst organisiert, einen massiven Angriff auf das Arbeitgebermodell in Berlin dar und könne gerade in einem rot-rot-grün regierten Bundesland wie Berlin, das großen Wert auf gerechte Löhne legt, so nicht hingenommen werden. „Auch im Lichte des Bundesteilhabegesetzes ist es völlig unverständlich, wenn auf diese Weise die Selbstbestimmung behinderter Menschen erschwert statt gefördert wird. Wenn diese Vorgehensweise umgesetzt wird, sind Proteste der Betroffenen vorprogrammiert.“