Andreas und sein schwieriger Weg zu heutiger Stärke

„Schon als Kind war ich in der Psychiatrie, aber ich konnte 1991 in Weimar die Schule beenden und dann mit einer Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann beginnen“, so beginnt Andreas Scheibner (46) seine Erinnerungen an den langen Weg, der hinter ihm liegt. „Leider hat es nicht funktioniert und ich musste die Ausbildung abbrechen. Auch ein zweiter Anlauf in einem Berufsbildungszentrum in Stuttgart klappte nicht. Ich musste die Ausbildung zum Bürokommunikationskaufmann wieder nach kurzer Zeit beenden. Die Ausbilder nannten es Anpassungsstörung und ich bekam irgendwann die Diagnose ADHS“.

Andreas und ich kennen uns schon ein paar Jahre aus dem BBV und ABiD, aber ich wusste nicht viel über seine Geschichte. Umso mehr beeindruckt mich seine Offenheit, wenn er davon erzählt, dass er nach diesem schlechten Start ins Berufsleben eine Zeit lang obdachlos war. In Braunschweig führte sein Weg ihn das erste Mal in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung.Zwischen 1994 und 1998 war er dort beschäftigt. Dann bot sich ihm die Chance, im Rotkreuz-Institut Berufsbildungswerk im DRK Berlin eine Ausbildung zum Bürokaufmann zu absolvieren und er nutzte sie und schaffte es. Anschließend arbeitete Andreas in einer ABM Stelle und verbrachte in Berlin eine schöne Zeit. Neben der Arbeit und dem Leben in der Großstadt war er Dauergast im Olympiastadion bei Hertha BSC und es zieht ihn bis heute immer wieder in die Ferne. Andreas verreist gerne und ist auch sonst viel unterwegs. Daher war es auch nicht ungewöhnlich, dass er nach seinem Umzug 2003 nach Mannheim, wann immer es möglich war, nach Berlin getrampt ist, um seine Hertha bei Heimspielen zu unterstützen. Der Grund für den Umzug war einerseits die unsichere berufliche Situation in der Hauptstadt und der bessere Arbeitsmarkt im Südwesten. Andererseits gab es Probleme mit der Wohnung. Damals wurden in Berlin Wohnungen zurückgebaut und so beschloss Andreas, vorübergehend nach Mannheim zu ziehen, wo er dann insgesamt 12 Jahre lebte und arbeitete. Und nicht nur das, er engagierte sich schon bald in der Vertretung der Beschäftigten in seiner Werkstatt und war auch viele Jahre im Landesvorstand Werkstatträte Baden-Württemberg. 

Am Tag vor unserem Gespräch in der BBV Geschäftsstelle war Andreas noch in Litauen, vor wenigen Wochen verbrachte er ein paar Tage in der Ukraine und im November soll es noch einmal in die baltischen Länder gehen, dann nach Lettland. Seine Reiseleidenschaft und seine Begeisterung für Fußball führten ihn in der Vergangenheit auch schon nach Genua, Florenz oder Mailand. „Für die Zukunft habe ich noch einige Orte, die ich besuchen möchte. Moskau und St. Petersburg sind Ziele, aber auch Madrid“. 

Andreas reist bevorzugt mit der Bahn, aber auch mit dem Fernbus oder mit der Fähre. Und dann genießt er nicht nur die Fahrt, er testet dabei auch die Barrierefreiheit. In Polen, erklärt er, sei die Barrierefreiheit in den Zügen besser, sowohl der Einstieg als auch das Platzangebot und die Toiletten. Obwohl selbst aktuell nicht mobilitätseingeschränkt, kümmert er sich mit großem Eifer im Behindertenverband um das Thema. „Ich bin dazu gekommen durch meinen Freund Arnd“, erklärt Andreas und meint damit BBV-Vorstandsmitglied Arnd Hellinger.

 In dem Moment, als er das sagt, kommt Arnd mit seinem E-Rolli und Assistenten zu uns in die Geschäftsstelle und die beiden begrüßen sich. Durch Corona waren bei uns im BBV persönliche Begegnungen stark eingeschränkt. Jetzt ist es schön, wenigstens gelegentlich ein paar Mitglieder des Vereins wieder in der Jägerstraße treffen zu können, selbstverständlich mit Luftfilter und bei geöffnetem Fenster. 

Andreas ist nach einem schwierigen Start ins Berufsleben und diversen Rückschlägen heute behindertenpolitisch engagiert und möchte sich zukünftig auch im Berliner Behindertenverband für Barrierefreiheit und Teilhabe im Arbeitsleben einsetzen. Gerade als Beschäftigter in einer Werkstatt für behinderte Menschen kann er den BBV mit seinen Erfahrungen sehr gut ergänzen, schließlich sind über 300.000 Menschen in sogenannten WfbM tätig und der Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt ist noch lang, aber mit schwierigen Wegen kennt sich Andreas gut aus.  

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