Selbsthilfe beim Frühstück

Wir stellen in der neuen BBZ-Serie Angebote und Selbsthilfegruppen in Berlin vor. Wir möchten damit Informationen und Chancen von Selbsthilfegruppen erläutern, außerdem zu Gruppengründungen animieren sowie Vorurteile abbauen. Diese Serie richtet sich an bereits Aktive und Interessierte der Selbsthilfe.

Seit zehn Jahren gibt es die Frühstücksgruppe für türkischsprachige Mütter mit Kindern mit Behinderung. Diese Gruppe wurde von dem Verein MINA-Leben in Vielfalt e.V. ins Leben gerufen. MINA wurde im Oktober 2010 gegründet und ist eine Beratungs- und Kontaktstelle, die Menschen mit Migrations- und/oder Flucht-
erfahrung und Behinderung sowie deren Angehörige berät und begleitet. Die gemeinsame Basis in der Frühstücksgruppe ist die Migrationserfahrung in der Familie, egal ob in der ersten, zweiten oder dritten Generation. 

„Der Begriff Selbsthilfe ist nicht für alle verständlich. Doch der Name „Frühstücksgruppe“ macht sofort klar, was wir dort machen und gleichzeitig setzen wir damit einen „lockeren“ Rahmen für den Austausch. 

Ein entspannter Rahmen bietet die Grundlage dafür, dass Menschen sich öffnen. Wir erleben oft ein Gefühl der Erleichterung, wenn  Personen merken, dass sie nicht allein sind. Die Menschen stärken sich gegenseitig und stellen fest: Das kann ich verlangen. Das sind meine Rechte.“, berichtet Havva Sağdıç, Beraterin bei MINA.

Die Frühstücksgruppe für türkischsprachige Mütter findet immer am ersten und dritten Freitag im Monat statt. Das erste Treffen widmet sich einem spezifischen Thema, zu dem die Gruppe sich untereinander austauscht. Es können Alltags- aber auch Tabuthemen besprochen werden, von Urlaubsgestaltung bis Sexualität oder Tod. Die Treffen an jedem dritten Freitag ist immer mit externen Fachleuten verbunden, beispielsweise aus den Bereichen Behinderten- oder Eingliederungshilfe, Ergotherapie und mehr. Das gibt allen Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Fragen direkt zu stellen und ihre Themen einzubringen.

Zu den Frühstückstreffen bringt jede Mutter etwas mit. Es ist aber keine Voraussetzung, da es keine Barriere darstellen soll. Auch die Kinder, die zum Großteil bereits erwachsen sind, sind beim Frühstück willkommen. Die Gruppe ist mit sechs Teilnehmenden gestartet und hat mittlerweile zwischen 15 und 25 Teilnehmende pro Treffen. Darüber hinaus existiert eine WhatsApp-Gruppe mit rund 100 Menschen zur Koordination und zum weiteren Austausch von Informationen, der über die Treffen hinausgeht. 

„Anlässe, zu denen wir rausgehen, sind fast immer ärztliche oder amtliche Termine. Das Frühstück ist für uns wie eine Auszeit. Jede Familie dort hat verschiedene eigene Probleme. Wir treffen uns und reden miteinander. Wenn wir von den anderen Familien und ihren Schwierigkeiten hören, denke ich oft, es könnte viel schlimmer sein. Auch die Informationen, die wir beim Frühstück bekommen, unterstützen uns. Wir erhalten viele Tipps und haben eine entspannt lustige Zeit.“, so eine Teilnehmende.

Aus den regelmäßigen Frühstückstreffen sind auch gemeinsame Gruppenausflüge nach Brandenburg oder in die Türkei entstanden. Für viele Mütter ist es oft das erste Mal, dass sie mit ihren Kindern und ohne andere Familienmitgliedern verreisen. Für die Gruppe war es ein besonderes und stärkendes Erlebnis gemeinsam sowie außerhalb der gewohnten Umgebung unterwegs zu sein. 

Für viele Mütter war es eine Herausforderung die Pflege und Versorgung in fremde Hände zu geben. Mütter, die zuvor schon diese Erfahrungen gemacht haben, berichteten von ihren Erfahrungen und ermutigten dadurch andere in der Gruppe. Am Ende erzählten sie, dass es ein Lernprozess war, ihr Kind „loszulassen“ und dass es beiden Seiten gutgetan hat und sich neue Perspektiven für den Alltag ergeben haben.

Sevgi E., Mutter eines Sohnes mit Behinderung, erzählt auch von ihrer Erfahrung: „Anfangs war ich sehr schüchtern und wenig selbstbewusst. Durch einen Zufall lernte ich die Angebote von MINA kennen. Darüber traf ich andere Mütter, die ein Kind mit Behinderung haben. Mit ihnen konnte ich mich austauschen, sogar auf Türkisch, meiner Erstsprache. Auch heute noch erfahre ich immer etwas Neues. Meine Freundinnen sagen, dass ich heute ganz anders auftrete als früher, viel selbstbewusster und stärker. Und das gebe ich an meine Kinder weiter.“

Sowohl bei den Ausflügen und Reisen als auch bei der Teilnahme bei Demonstrationen ist uns wichtig, dass sich niemand gedrängt fühlt. Wenn eine Person an Aktivitäten nicht teilnehmen möchte, ist das kein Problem. Die Gruppe beteiligt sich außerdem regelmäßig an Straßenfesten und Demonstrationen, wie jährlich am 5 Mai, der auch dieses Jahr um 14 Uhr am Brandenburger Tor stattfand und vom Berliner Behindertenverband mit organisiert wurde. 

Interessierte Mütter können sich gerne bei MINA Leben in Vielfalt e.V. melden: 

Friedrichstraße 1, 10969 Berlin

Telefon: (030) 403 65 76 – 20

E-Mail: info@mina-berlin.de

 

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